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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Autoren: Patricia Mennen
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sich die Frauen wieder vor Nakeshis Hütte und tanzten, sangen und aßen wie am Abend zuvor. Nur Sheshe fehlte. Am nächsten Morgen gingen die Frauen und Männer ihren gewohnten Tätigkeiten nach, und es wurde still vor ihrer Hütte. Lediglich ein paar Alte saßen abseits im Schatten der Akazie und stellten Schmuck aus Samen und Straußeneierschalen sowie Schnüre aus der Sisalpflanze her. Um sie herum spielten die kleineren Kinder, die noch nicht mit zum Sammeln von Feldkost gehen konnten. Ihr leises Murmeln und ihr Lachen hatten etwas Tröstliches.
     
    Am dritten Tag wusste Nakeshi nicht mehr, wie lange sie schon in der Hütte war. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Ein Schleier von
Gleichgültigkeit begann sich über ihren Geist zu legen. Die Stimmen der Menschen draußen vor der Hütte fingen an, sich zu verzerren. Sie verstand den Inhalt des Gesagten nicht mehr und war auch gar nicht interessiert daran. Bald trübte sich ihr Gesichtsfeld ein. Farben und Formen verschoben sich und wurden zu Halluzinationen. Aus den grauen Zweigen ihrer Hütte wurden lebendige Schlangen, die sich wild ineinander verknoteten und ihr so den Weg in die normale Welt versperrten. Seltsamerweise verspürte Nakeshi keinerlei Angst dabei. Im Gegenteil, sie empfand die Schlangenbrut wie einen Schutz. Immer wieder floss Blut aus ihrer Scheide, auch wenn es deutlich weniger wurde. Mittlerweile hatte es seinen Schrecken verloren. Nakeshi begriff, dass die Blutung etwas Gesundes war, das wie ein Geschenk aus ihr herausfloss und das sie nun in den Kreislauf der Natur zurückgeben konnte. Kauha zeigte ihr dadurch, dass sie ein Teil seiner Schöpfung war. Kauha hatte Debe den Samen gegeben, um ihn in den Schoß ihrer Mutter zu pflanzen. So war sie geboren worden, um nun selbst zum Gefäß zu werden, um eines Tages jemand anderem auf diese Welt zu verhelfen. Und wenn sie starb, würde sie wieder zurück zu Kauha in sein großes Himmelshaus kommen. War es vielleicht das, was Sheshe ihr durch ihren obszönen Tanz hatte zeigen wollen?
    Plötzlich bäumte sich Nakeshis Körper auf und begann sich zu verkrampfen. Einzelne Muskeln zuckten und gaben ihre Schwingungen an die benachbarten Muskeln weiter, bis schließlich ihr gesamter Körper wie von einem Sturm wild durchgeschüttelt wurde. Nakeshi spürte, wie ihr Geist aus ihrem Körper drängte. Sie versuchte sich dagegen zu wehren, doch es war vergebens. Ein kräftiger Stoß katapultierte ihn weit hinaus in die Weiten der Unendlichkeit.
    Sie war überrascht von der Freiheit, die sie plötzlich ohne ihren Körper verspürte. Es war ein merkwürdiges, ganz leichtes Gefühl. Und dann stellte sie staunend fest, dass sie wie ein Vogel flog! Weit
unter sich erkannte sie ihren Lagerplatz mit den Hütten. Sie sah, wie ihr Vater hinter einem Rosinenbusch einem Springbock auflauerte und ihn schließlich mit einem Pfeilschuss verletzte. Vier andere Jäger warteten gut versteckt auf sein Zeichen, bevor sie dem waidwunden Tier durch das Dickicht folgten. Sie entdeckte ihre Mutter und Goshi beim Sammeln von Feldkost. Sie lachten und erzählten sich Geschichten. Auf einer kleinen Lichtung, nahe dem verborgenen Wasserloch, saß Sheshe. Sie hob kurz ihren Kopf und sah zu ihr hinauf und dann - Nakeshis Herz machte einen kleinen Hüpfer - dann winkte sie ihr zu und lachte!
    Nakeshi versuchte ebenfalls zu winken, aber eine unbändige Kraft zog sie fort von ihren Leuten. Sheshe, die Bäume, die Landschaft wurden immer kleiner. Bald waren Menschen und Tiere nur noch winzig kleine Punkte. Immer höher trug es sie hinaus. Doch wohin? Eine Zeit lang glaubte sie, die ewige Reise zu Kauha angetreten zu haben.
    Sah so der Tod aus?
    Nakeshi verspürte keine Angst, obwohl sie ein wenig bedauerte, dass ihr Leben so kurz gewesen war. Bô kam ihr in den Sinn. Würde er sie vermissen? Er hatte ihr nie gezeigt, ob er sie mochte. Sie würde es wohl nie erfahren. Stattdessen würde sie bald das große Himmelshaus sehen. Wem würde sie dort begegnen? Großmutter Nisa und Großvater Dau? Sie würden ihr sicherlich helfen, sich im großen Haus der Ahnen zurechtzufinden.
    Doch Nakeshi steuerte nicht auf das große Himmelshaus zu. Plötzlich stoppte ihr Flug nach oben, und sie wurde wie eine Feder im Wind parallel zur Erde weiter über die Landschaft geblasen. Bald tauchte am Horizont eine große, dunkelblaue Fläche auf. Sie wirkte bedrohlich und riesig groß. Auf ihrer Oberfläche tanzten kleine weiße Schaumkronen. Zu ihrem Erstaunen
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