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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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durchsichtigen Boden der Gondel, wie die schwarzen Flecke
der Häuser kleiner wurden und die hellen Pünktchen
der elektrischen
Straßenlaternen flimmerten. Die Hauptstadt entschwand den
Blicken, tief
unten schimmerten verschneite Ebenen in trübem
bläulichem Licht. Das
leichte Schwindelgefühl, das ich erst kaum spürte,
wurde immer stärker,
und ich schloss die Augen, um mich davon zu befreien.
    Die Luft wurde immer dünner, das Rauschen der
Schraube und das
Pfeifen des Luftzuges klangen immer höher — offenbar
flogen wir
schneller. Bald unterschied mein Ohr unter all den Lauten einen feinen,
sehr gleichmäßigen silbrigen Ton — die
gläserne Bugwand der Gondel
vibrierte, während sie die Luft durchschnitt. Wunderbare Musik
erfüllte
mein Inneres, meine Gedanken entglitten mir, ich empfand nur eine
elementar-leichte und freie Bewegung, die mich vorwärts trug,
vorwärts
in den endlosen Raum.
    »Vier Kilometer pro Minute«, sagte Menni.
    Ich öffnete die Augen und fragte: »Ist es
noch weit?«
    »Ungefähr eine Stunde. Wir landen auf einem
vereisten See.«
    Wir befanden uns in einer Höhe von mehreren hundert
Metern, die
Gondel flog waagerecht, ohne zu sinken oder zu steigen. Meine Augen
gewöhnten sich an die Finsternis, und ich konnte alles
deutlich
erkennen. Unter uns breitete sich eine Gegend mit Seen und Granitfelsen
aus. Die Felsen hoben sich an einigen Stellen schwarz vom Schnee ab.
Zwischen ihnen klebten kleine Dörfer.
    Linkerhand blieb das Schneefeld eines vereisten Meerbusens
hinter
uns zurück, rechterhand lagen die weißen Ebenen eines
riesigen Sees. In
dieser leblosen Winterlandschaft sollte meine Verbindung zur alten Erde
zerreißen. Und auf einmal spürte ich — kein
Zweifel, nein, es war die
echte Gewissheit —, dass das ein Abschied für immer
sein würde.
    Die Gondel sank langsam zwischen Felsen nieder und schwebte in
die
kleine Bucht eines Gebirgssees. Ein dunkles Gebilde erhob sich aus dem
Schnee. Weder Fenster noch Türen waren zu sehen. Eine
Metallwand wurde
langsam beiseitegeschoben und gab eine dunkle Öffnung frei, in
die
unsere Gondel hineinflog. Danach schloss sich die Wand wieder. Der
Raum, in dem wir uns befanden, erstrahlte in elektrischem Licht. Es war
ein großer, länglicher Saal ohne Möbel, auf
dem Boden lagen lediglich
Ballastsäcke.
    Menni befestigte die Gondel an speziell dafür
bestimmten Pfosten und
öffnete eine Seitentür. Wir betraten einen schwach
beleuchteten Gang
mit einer Reihe von Türen. Ich wurde in ein Zimmer
geführt.
    »Das ist Ihre Kajüte«, sagte Menni.
»Machen Sie es sich bequem, ich muss in den Maschinenraum. Wir
sehen uns morgen früh.«
    Ich war froh, allein zu sein. Trotz der Erregung infolge der
merkwürdigen Erlebnisse des Abends war ich ermattet. Ich
rührte das
Abendessen auf dem Tisch nicht an, sondern löschte gleich die
Lampe und
legte mich ins Bett. Verworrene Gedanken schwirrten durch meinen Kopf.
Ich mühte mich krampfhaft einzuschlafen, doch es gelang mir
lange
nicht. Schließlich wurde mein Bewusstsein trübe,
flüchtige Bilder
drängten sich mir vor die Augen, die Umgebung entschwand, und
schwere
Träume bemächtigten sich meines Hirns.
    Die Kette der Träume endete mit einem Alptraum. Ich
stand an einem
schwarzen Abgrund, auf dessen Boden Sterne glänzten, und Menni
wollte
mich hinunterstoßen. Er sagte, ich brauche die Schwerkraft
nicht zu
fürchten, nach einigen hunderttausend Jahren Fall
würden wir zum
nächsten Stern gelangen. Ich stemmte mich gegen ihn,
stöhnte in
qualvollem Ringen auf und erwachte.
    Zartes blaues Licht füllte mein Zimmer. Menni
saß auf dem Bett und
neigte sich zu mir. Menni? Ja, er, aber gespenstisch-seltsam und
irgendwie anders. Er schien kleiner geworden zu sein, seine Augen
traten nicht so stark hervor, er lächelte gütig und
hatte nicht den
kalten und unerschütterlichen Gesichtsausdruck wie eben im
Traum.
    »Wie gut Sie aussehen«, sagte ich benommen.
    Er legte seine Hand auf meine Stirn. Es war eine kleine, zarte
Hand.
Ich schloss wieder die Augen, und mit dem absurden Gedanken, dass ich
diese Hand küssen müsste, sank ich in einen ruhigen,
tiefen Schlaf.

4. Die Erklärung
    Als ich erwachte und das Licht einschaltete, zeigte die Uhr
zehn.
Nach meiner Morgentoilette drückte ich den Klingelknopf, und
kurz
darauf erschien Menni.
    »Fliegen wir bald?« fragte ich.
    »In einer Stunde«, antwortete er.
    »Waren
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