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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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nahm er sie wieder heraus und trug sie zu einem großen
Apparat, der
sich als Mikroskop erwies.
    »Wir entwickeln und fixieren die Aufnahme gleich im
Mikroskop, ohne
sie mit den Händen zu berühren«,
erklärte er. Nach einigen Handgriffen,
die höchstens eine halbe Minute dauerten,
überließ er mir das Okular
des Mikroskops. Ich erblickte mit so erstaunlicher Deutlichkeit einen
mir bekannten Dampfer der Nordischen Schifffahrtsgesellschaft, als
befände er sich wenige Dutzend Schritte von mir entfernt. Das
Photo
wirkte plastisch und hatte eine völlig natürliche
Farbe. Auf der
Kommandobrücke stand der ergraute Kapitän, mit dem
ich mich mehrmals
während meiner Reisen unterhalten hatte. Ein Matrose, der eine
große
Kiste auf das Deck hinunterließ, war gleichsam in seiner Pose
erstarrt,
ebenso wie ein Passagier, der ihm mit ausgestreckter Hand etwas zeigte.
All das war zweitausend Kilometer entfernt.
    Sternis Gehilfe, ein junger Marsmensch, betrat den Raum. Er
musste
die genaue Entfernung messen, die unser Sternschiff
zurückgelegt hatte.
Wir wollten ihn nicht bei der Arbeit stören und gingen in den
»Wasserraum«. Dort befanden sich ein riesiger
Behälter mit Wasser und
große Apparate zu dessen Reinigung. Unzählige Rohre
leiteten das Wasser
aus dem Reservoir in das gesamte Sternschiff.
    Im »Rechenraum« standen Maschinen und
Geräte mit vielen
Zifferblättern und Zeigern. An der größten
Maschine arbeitete Sterni.
Aus ihr glitt ein langes Band heraus, das offenbar die Ergebnisse von
Sternis Berechnungen enthielt. Ich konnte jedoch mit den Zeichen auf
dem Band und auf den Zifferblättern nichts anfangen.
    Mich gelüstete nicht nach einer Unterhaltung mit
Sterni. Um ihn nicht zu belästigen, betraten wir schnell den
letzten Nebenraum.
    Es war der »Sauerstoffraum«. Hier wurden die
Sauerstoffvorräte in
Form von fünfundzwanzig Tonnen chlorsaurem Kalium aufbewahrt,
aus dem
man bis zu zehntausend Kubikmeter Sauerstoff gewinnen konnte. Diese
Menge reichte für mehrere Reisen vom Mars zur Erde und
zurück. Etliche
Apparate dienten zur Spaltung des Kaliums. Außerdem lagerten
dort Baryt
und Ätzkali, um die freiwerdende Kohlensäure zu
binden, und
Schwefelsäureanhydrid zum Binden der
überflüssigen Feuchtigkeit und des
flüchtigen Leukomains, jenes Stoffes, der beim Atmen
ausgeschieden wird
und schädlicher als Kohlensäure ist. Der
Sauerstoffraum unterstand
Doktor Netti.
    Dann kehrten wir in den zentralen Maschinenraum
zurück, aus dem wir
uns mit einem Lift direkt in die oberste Etage begaben. Dort befand
sich im zentralen Raum das zweite Observatorium, das dem unteren
völlig
glich, nur dass die kristallene Hülle oben und nicht unten war
und die
Instrumente größere Ausmaße
besaßen. Aus diesem Observatorium konnte
man die andere Hälfte der Himmelskugel mit dem
»Zielplaneten« sehen.
Seitwärts vom Zenit strahlte der Mars in seinem
rötlichen Licht. Menni
richtete das Teleskop auf ihn, und ich erkannte deutlich das Festland,
die Meere und die Kanäle, wie sie auf Schiaparellis Karten
abgebildet
sind. Menni photographierte den Planeten, und unter dem Mikroskop wurde
ein deutliches Bild sichtbar. Ohne Mennis Erklärungen konnte
ich jedoch
nichts darauf verstehen. Die Flecken der Städte,
Wälder und Seen
unterschieden sich lediglich durch unmerkliche Einzelheiten voneinander.
    »Wie groß ist die Entfernung bis zum
Mars?« fragte ich.
    »Ungefähr hundert Millionen
Kilometer.«
    »Und warum befindet sich der Mars nicht in der Mitte
der Kuppel?
Fliegen wir nicht direkt auf ihn zu, sondern steuern ihn von der Seite
an?«
    »Ja, anders ist es nicht möglich. Beim
Abflug behalten wir unter
anderem auf Grund des Trägheitsgesetzes die Geschwindigkeit
des
Erdumlaufs um die Sonne — dreißig Kilometer in der
Sekunde. Der Mars
hat nur eine Geschwindigkeit von vierundzwanzig Kilometern, und wenn
wir in einer geraden Linie zwischen beiden Umlaufbahnen
flögen, würden
wir mit sechs Kilometern pro Sekunde auf die Marsoberfläche
stürzen.
Deshalb müssen wir einen Umweg wählen, auf dem die
überflüssige
Geschwindigkeit ausgeglichen wird.«
    »Wie lang ist dann unser Weg?«
    »Ungefähr hundertsechzig Millionen
Kilometer, wofür wir mindestens zweieinhalb Monate
brauchen.«
    Wäre ich kein Mathematiker gewesen, hätten
mir diese Zahlen nichts
bedeutet. So erweckten sie jedoch in mir ein Gefühl, das einem
Alpdruck
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