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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
Autoren: Ulrich Wickert
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Gilles hat sich so aufgeregt, dass er fast einen Herzanfall
    bekommen hätte. Er hatte auf einem Foto, das bei LaBrousse hängt, einen französischen Offizier erkannt, mit dem Sie sich übrigens auch befasst haben. Der General, der letztes Jahr ermordet worden ist, war auf dieser Aufnahme zu sehen. Ich kenne die Geschichte. Ich vermute, der General diente LaBrousse als Vorbild. Haben Sie ihn, Victor LaBrousse, schon besucht? Er wohnt nicht weit von hier.«
    »Gestern Nachmittag.«
    Jacques war vom Flughafen mit dem kleinen Peugeot 206 in den Ort gefahren und hatte im »Imperial« ein Zimmer genommen. Kein luxuriöses Hotel, aber eines der besseren in Fort-de-France. Die großen Ferienhotels lagen auf der anderen Seite der Bucht an der Pointe-du-Bout. Er war hier, um zu arbeiten, und sein Besuch war präzise und entsprechend den Regeln vorbereitet. Darauf legte er Wert. Von Paris aus hatte er bei der Polizei in Fort-de-France um Amtshilfe nachgesucht. Es hatte fast zwei Tage gedauert, bis Martine ihn endlich mit Kommissar Cesaire von der Police judiciaire in Martinique hatte verbinden können.
    »Sind wir von den Pariser Sitten inzwischen auch so verseucht worden, dass Sie sogar uns anrufen«, lachte Cesaire in den Hörer.
    »Das sehen Sie falsch«, antwortete Jacques ironisch. »Schon je was von der exception culturelle gehört? Paris versteht sich doch immer schon als Hort aller Zivilisation, die es in die ganze Welt zu verbreiten gilt. Dazu gehört auch unser Justizwesen. Dessen Auswirkungen sollt ihr auch mal kennen lernen - von mir!«
    »Welcher Beke hat denn von hier aus in die schwarzen Kassen
    gezahlt?«, fragte Cesaire.
    »Ein bisschen komplizierter ist das schon.«
    Jacques bat Cesaire, Victor LaBrousse zur Befragung in die Polizeidirektion nach Fort-de-France zu zitieren, verschwieg jedoch, dass er sich eigentlich mehr für Gilles Maurel interessierte.
    »Auf Martinique lebt man anders«, lachte ihn der Polizist aus Fort-de-France aus, er müsse sich schon selbst zu LaBrousse begeben. Schließlich sei der ein angesehener und wohlhabender Pflanzer mit Beziehungen zur Politik.
    Wer ihm in Paris so arrogant gekommen wäre, dem hätte Jacques auf der Stelle eine gerichtliche Verfügung geschickt.
    Dem Mann auf Martinique gegenüber blieb er aber erstaunlich gelassen. Und er ertappte sich bei dem Gedanken, wie wohltuend es sein könnte, eine seiner abstrusen Spuren selbst zu verfolgen, schon allein weil ihm das erlauben würde, für ein paar Tage aus Paris zu fliehen - dienstlich.
    Noch hielt er dem politischen Druck, der immer weniger subtil auf ihn ausgeübt wurde, stand, aber der Fall, an dem er nun seit acht Jahren arbeitete, begann ihn zu nerven. Manchmal hatte er sogar Angst.
    Dazu kam die Trennung von Jacqueline! Wenn es im Büro kriselt, muss das Privatleben stimmen - oder umgekehrt, pflegte er zu philosophieren. Bei ihm herrschte aber im Augenblick mindestens doppelte Unordnung.
    Jetzt aber war er hier auf dieser exotischen Insel und für vier Uhr mit LaBrousse auf dessen Plantation verabredet.
    Jacques nahm den direkten Weg über die N 3 quer durch Martinique und ließ sich Zeit. Die Strecke ist kurvig und steigt schon bald hinter Fort de France an. Bei Balata sah er die Nachbildung von Sacre-Coeur, die 1928 gebaut worden war. Kitsch, Jacques schüttelte den Kopf, genauso ein Kitsch wie das
    Original auf dem Montmartre, das seinerzeit wegen des Sieges der barbarischen Teutonen 1870 über die Nachfahren der Hellenen gebaut worden war!
    Die Straße stieg weiter bergan. Jacques begann in seinem kleinen Auto zu schwitzen. In Frankreich gibt es, grob gesagt, zwei Sorten von Staatsdienern, dachte er: solche, die man als die Katholiken bezeichnen könnte, weil sie im Dienst eine Pfründe sehen, und solche, die für ihn die Protestanten waren, weil sie jede Ausgabe von Steuergroschen sorgsam beachten. Weil er zu den Sparsamen zählte, hatte er diesen Peugeot 206 gemietet -ohne Klimaanlage, und er bereute es schon jetzt. Die Sonne hatte den kleinen Wagen erbarmungslos aufgeheizt, und der Fahrtwind brachte nur wenig Erleichterung.
    In Le Morne-Rouge hielt er an, er lag gut in der Zeit, setzte sich unter das Laubdach einer Ajoupa, genoss die leichte Brise und trank eine undefinierbare, aber wenigstens eiskalte Limonade. Am Klapptisch neben ihm saßen zwei Kreolen und spielten Domino.
Der Fall
    Zweimal krähte der Corbeau. Le Corbeau bedeutet nicht nur krächzender Rabe, sondern besagt auch, dass ein schräger
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