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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann
Autoren: Georges Simenon
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sich schminke, und ihre Tasche in der linken Hand hielt, um sich in dem Spiegel, der darin war, zu betrachten.
    »Ist das alles, was du hast?«
    »Ich habe eine ganz Fabelhafte, die du noch nicht kennst. Sie hat erst vor knapp einem Monat angefangen. Sie ist zu Haus, zwei Häuser weiter. Soll ich sie holen?«
    »Ja.«
    Als sie gegangen war, rückte die Brünette etwas näher heran und murmelte: »Kommst du oft, Liebling?«
    »Erstens bin ich nicht dein Liebling, und zweitens, ob ich oft komme oder nicht, ist meine Sache.«
    Er zeigte sich gern grob. Man hätte glauben können, das mache ihm Spaß.
    »Trotzdem wirkst du nicht unsympathisch.«
    Er zuckte die Schultern, ging hinter die Theke und goß sich einen Cognac ein, während die beiden Mädchen ihm erstaunt zusahen. Dann setzte er sich wieder und stellte das Glas vor sich hin.
    »Spendierst du mir nichts?«
    »Wenn Nenette wieder da ist.«
    Jetzt machte sich die Blonde schön. Es waren noch nicht fünf Minuten verflossen, da kam Nenette wieder.
    »Sie kommt gleich. Stell dir vor, ich habe sie schlafend vorgefunden. Sie muß jetzt nur noch duschen. Spendierst du eine Runde für alle?«
    Nun ja, warum nicht? War das nicht immer so?
    »Hast du Champagner auf Eis?«
    »Ich habe immer Champagner auf Eis. Ich sehe, du hast dich selbst bedient. Da hast du recht getan.«
    Und dann sagte sie, ebenso zu ihm wie zu den beiden Mädchen gewandt: »Warum setzen wir uns nicht hinten in den Salon?«
    Eine Tür hinten in der Bar war durch einen roten, fast granatroten, drapierten Vorhang halb verdeckt. Dahinter befand sich ein intimeres Zimmer mit einem ebenfalls roten Sofa, Sesseln und einem Tisch in der Mitte.
    Die Blonde blickte ihn an und fragte: »Darf man?«
    Er nickte und leerte sein Glas in einem Zug.
    »Gieß mir noch einen ein!«
    Er wollte ein bißchen in Schwung kommen. Die alten Steine der beiden Türme draußen, die den Hafeneingang flankierten, färbten sich im Licht der untergehenden Sonne rosa. Nenette holte eine Flasche aus dem Kühlschrank, und sie gingen alle vier in den kleinen Salon. Auf dem Tisch lag wie in alten Häusern eine Decke mit Fransen.
    »Was hast du zu berichten, Victor?«
    »Nichts.«
    »Auf dein Wohl und das dieser reizenden Damen. Du hast Glück, daß sie gerade hier sind.«
    Man sah die Neue hereinkommen, ein noch etwas jüngeres Mädchen in einem sehr kurzen Rock.
    »Das ist nicht nett«, rief sie, »ohne mich anzufangen. Wie heißt du?«
    »Victor.«
    »Nun, mein lieber Victor, du bist prächtig gebaut. Man macht dir bestimmt nicht jeden Tag das Leben schwer. Darf ich mal anfassen?«
    Sie betastete seine Armmuskeln und pfiff bewundernd.
    »Sag mal, wirst du uns alle vier glücklich machen?«
    Sie leerten ihr Glas, er auch, und Nenette holte eine zweite Flasche. Die Neue, die Lucie hieß, hatte sich auf das Sofa gesetzt, und zwar so, daß man ihre Oberschenkel sah.
    Erst bei der dritten Runde kamen alle richtig in Stimmung. Lecoin schmuste mit einer nach der anderen und manchmal mit zweien zugleich. Er trank kräftig, und sie sorgten dafür, daß sein Glas nie leer wurde.
    »Sag mal, Nenette…«
    Sie kam herbeigelaufen.
    »Kann man hinaufgehen?«
    »Du weißt doch wohl, was ich riskiere? Sie sind hundsgemein, besonders in der letzten Zeit. Aber nun ja, bei dir mache ich eine Ausnahme. Hier ist der Schlüssel meines Schlafzimmers! Nimmst du sie alle drei mit?«
    »Bring uns zu trinken hinauf.«
    Die Treppe war dunkel und gewunden. Er kannte sie so, wie er Nenettes Schlafzimmer kannte mit dem großen Nußbaumbett, den Deckchen überall und einer unwahrscheinlichen Menge von Nippes, wie man sie auf Jahrmärkten gewinnt.
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Fang schon mal an, dich auszuziehen.«
    Es war die Neue. Die beiden anderen wollten sich auch ausziehen. »Wartet, bis ich es euch sage.«
    Nenette brachte eine Flasche und Gläser hinauf. Eine halbe Stunde später, als sie die vierte Flasche Champagner brachte, waren die drei Frauen schon splitternackt.
    »Jetzt fehlst nur noch du«, sagte Lecoin zu ihr.
    »Ich muß unten bleiben. Ich habe zwei Gäste.«
    Lecoin hatte schon einen Schwips, war aber noch völlig klar. Er bemühte sich, sich zu amüsieren, komische Geschichten zu erzählen. Die drei Mädchen versuchten es, wenn auch unbeholfen, gleichfalls.
    »Mit wem fängst du an?«
    »Mit dir, da du das fragst.«
    »Ziehst du dich nicht aus?«
    »Nein.«
    Die hellgrünen Seidenvorhänge waren zugezogen, und die Deckenlampe hatte einen rosa
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