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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann
Autoren: Georges Simenon
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anderen Seite des Schreibtisches auf einen Stuhl fallen und begann sich eine Zigarette zu drehen.
    »Wie viele Körbe?«
    »Etwa vierzig.«
    »Haben die Pfähle nicht unter dem Wind gestern und vorgestern gelitten?«
    »Keiner ist umgefallen. Wer ist das Mädchen in der Küche?«
    »Das neue Dienstmädchen. Du weißt doch, daß Louise gegangen ist, um sich in Niort zu verheiraten.«
    Er wußte es und wußte es auch wieder nicht. Das waren Dinge, die ihn nichts angingen, und er hörte nur mit halbem Ohr hin, wenn von ihnen die Rede war. Das gleiche war es mit dem Einkauf und Verkauf von Muscheln. Das war Jeannes Bereich. Sie war früher Lehrerin gewesen und konnte gut rechnen.
    »Woher kommt sie?«
    »Aus der Fürsorgeerziehung.«
    »Meinst du damit, daß sie noch nie in einem Haushalt gearbeitet hat?«
    »Sie hat auf einem Bauernhof in der Nähe von Surgères gearbeitet.«
    Verärgert sagte er: »Die ist das?«
    »Das kann uns doch gleichgültig sein.«
     
     
    Man hatte im ganzen Departement davon gesprochen, wenn auch die Behörden der Meinung gewesen waren, daß es besser war, die Sache nicht gerichtlich zu verfolgen.
    Nachdem Alice in einem Fürsorgeheim aufgewachsen war, hatte man sie bei den Paquôts untergebracht, Bauern in der Umgebung von Surgères, in einem aus nur wenigen Häusern bestehenden Dorf. Das mußte jetzt ein knappes Jahr her sein. Paquôt war ein Grobian, der weder lesen noch schreiben konnte. Er war fett und hatte Schweinsäugelchen. Es war erstaunlich, daß eine so ansehnliche Frau wie die seine ihn überhaupt geheiratet hatte.
    Er mußte über fünfzig sein und hatte nur ein Kind, eine Tochter, die in einem von Schwestern geleiteten Internat in La Rochelle war. Was war eigentlich passiert? Jedenfalls hatte ein Nachbar die Gendarmerie benachrichtigt.
    »Bei den Paquôts geht allerlei vor.«
    »Was verstehen Sie unter allerlei?«
    »Allerlei eben. Wenn Madame Paquôt nach Surgères oder La Rochelle fährt, macht ihr Mann sich das zunutze.«
    »Wozu?«
    »Um sich mit dem Dienstmädchen zu amüsieren.«
    »Wenn sie darin einwilligt, ist das doch wohl sein Recht?«
    »Sie ist noch nicht einmal sechzehn und kommt aus der Fürsorgeerziehung.«
    »Woher wissen Sie, daß er sich mit ihr amüsiert, wie Sie das nennen?«
    »Schon eine ganze Zeit habe ich den Verdacht. Er ist immer ein Schürzenjäger gewesen. Diesmal ist es eine ganz Junge.«
    »Wollen Sie Anzeige erstatten?«
    »Nein, denn mich geht das nichts an, aber im Dorf sind alle empört.«
    »Wie heißt das Mädchen?«
    »Alice.«
    »Und wie weiter?«
    »Einfach Alice. Ich glaube, sie hat weder ihre Mutter noch ihren Vater gekannt. In der vorigen Woche war ich bei Paquôt, um mir seinen Traktor zu leihen, denn meiner ist in Reparatur. In der Nähe des Hauses und auf den Feldern war niemand. Ich habe an die Vordertür geklopft, aber es hat sich niemand gemeldet, und so bin ich einfach hineingegangen, bin durch ihren sogenannten Salon in die Küche gegangen, und dort habe ich sie überrascht.«
    »Trieben sie’s?«
    »Das kann ich nicht behaupten, aber es war nicht weit davon. Paquôt hatte dem Mädchen den Rock hochgezogen und streichelte sie – nun, Sie wissen schon wo. Er hatte selber den Hosenlatz offen, und sein ganzer Apparat hing heraus.«
    Die Gendarmerie hatte eine kurze Untersuchung durchgeführt. Sie hatte Alice verhört, die auf alle Fragen einsilbig antwortete.
    »Hat er Sie vergewaltigt?«
    »Nein.«
    »Haben Sie es geschehen lassen?«
    »Ja und nein.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nicht ganz.«
    »Hat er Sie angefaßt?«
    »Ja.«
    »Und Sie?«
    »Er hat ihn mir in die Hand gegeben.«
    »Oft?«
    »So an die zehn Mal, wenn seine Frau in La Rochelle war.«
    »Haben Sie sich nicht gewehrt?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sich die Männer wohl alle gleich sind.«
    Man hatte beim Staatsanwalt darüber diskutiert und hatte Paquôt vorgeladen, der geschworen hatte, das Mädchen habe ihn dazu animiert.
    »Ich habe nie versucht, weiter zu gehen. Und jetzt spricht meine Frau dieser Hure wegen kein Wort mehr mit mir.«
     
     
    Jeanne Lecoin war eine Frau von fünfzig Jahren und drei Jahre älter als ihr Mann. Sie war dick geworden, und ihr Gesicht mit den harten Zügen war immer blaß. Allerdings verließ sie das Haus fast nie und verbrachte die meiste Zeit im Büro.
    »Du hast doch wohl keine Angst?«
    »Wovor?«
    »Daß sie dich verführen könnte.«
    Lecoin wurde wider Willen rot.
    »Ich habe mich noch nie mit solchen kleinen
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