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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Poore
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hatten.
    Zum ersten Mal spürte Memory, wie verzweifelt sie sich wünschte, dass wahr wurde, wovon sie träumte.
    Aber was genau war es eigentlich? Ruhm? Wollte nicht jeder berühmt sein? Wenigstens hin und wieder?
    Sicher. Aber das hier fühlte sich anders an. Es war kein bloßes Wollen. Es war ein tiefes Verlangen, eine vielleicht unerfüllbare Sehnsucht, so wie der Wunsch nach Berühmtheit, wenn die Fans in Wahrheit nur ein Ersatz waren für Sex, Liebe oder Erfolg an der Highschool.
    Für Memory war es möglicherweise ein Ersatz für die fehlenden Erinnerungen. Ihr Versuch, dafür zu sorgen, dass der Rest von ihr nicht ebenfalls verschwand.
    Aber was spielte das alles überhaupt noch für eine Rolle? Dan Paul war tot. Ihre magische Bohnenstange war gefallen.
    Memory spürte, wie sich der Ruhm aus ihrer Zukunft verabschiedete und wie der Rest von ihr zusammen mit ihm verblasste.
    »Scheiße«, sang sie. Ein einzelnes, trauriges Wort.
    ***
    Es war Zachary, der den Teufel ins Spiel brachte.
    Nach dem Abendessen hatten sie mit den anderen Bewohnern des Camps zusammengesessen und über Dan Paul geredet, und was für ein netter Kerl er gewesen sei. Anschließend hatte jeder für eine Weile sein eigenes Ding gemacht.
    Inzwischen war Mitternacht. Geisterstunde. Die Zeit, die am besten geeignet war, über unheimliche Dinge zu reden. Eine stille, geheimnisvolle Zeit.
    Vielleicht hätten sie nie über den Teufel gesprochen, wenn sie alle getanzt und gesungen oder sich wieder Geschichten erzählt hätten, oder wenn der Lärm vögelnder Menschen zum wiederholten Mal so laut geworden wäre, dass die anderen applaudiert hätten. Oder wenn es geregnet hätte.
    Stattdessen zogen Wolken auf, hinter denen die Sterne verschwanden, als hätte jemand einen Vorhang zugezogen. Hier und da glommen Joints oder Zigaretten in der Dunkelheit, einige beim Feuer, andere an der Straße, einige unter den Bäumen.
    Zachary und Memory teilten sich einen Teller mit kalten Bohnen, als Fish sich zu ihnen hockte. Er sagte kein Wort. Es war auch notwendig, dass eine Zeit lang niemand redete, um den Weg für die eigenen Gedanken frei zu lassen.
    Schließlich meldete sich Zachary zu Wort. »Ihr wisst, was man über Robert Johnson erzählt.«
    »M-hmmm«, sagte Fish.
    »Was denn?«, fragte Memory.
    »Dass er dem Teufel begegnet sei, als er an einem Scheideweg stand. Er habe ihm seine Seele verkauft, um ein großer Star zu werden.«
    »Willst du damit sagen, wir sollen runter zur Straßenkreuzung laufen, damit auch wir dort vielleicht dem Teufel begegnen?«, fragte Memory und lachte.
    Zachary zuckte nur die Schultern.
    Memory sah von Fish zu Zachary und wieder zu Fish.
    »Unsinn«, sagte Fish. »Das ist nur ein Werbegag der Produzenten, um mehr Platten zu verkaufen. Jedes Mal, wenn jemand auftaucht, der wirklich gut ist – besonders wenn er Gitarre spielt –, erfinden sie irgendeine bescheuerte Story, von wegen, er hätte seine Seele verkauft, oder seine Gitarre wäre in der Hölle angefertigt worden. Es heißt, Howling Wolf sei auf einen Friedhof gegangen und habe sich die Gitarre von einem Toten stimmen lassen. Erinnert ihr euch, was sie über Dan Paul erzählt haben?«
    Memory schaute ihn fragend an.
    »Das war vor deiner Zeit«, sagte Zachary zu ihr.
    »Dan war ein ganz gewöhnlicher Folksänger«, erzählte Fish. »Er reiste durchs Land und spielte in Bars. Dann hörte er von diesem anderen Gitarristen namens Two-John Spode, der angeblich ein Gitarrenduell mit dem Teufel gewonnen und seinen eigenen Tod in der Gitarre eingesperrt hatte. Also ging Dan Paul runter nach Louisiana und fand Two-John Spode im Sumpf. Er versuchte ihn zu überreden, mit seiner Hilfe eine Band zu gründen. Das war lange bevor Dan Paul uns fand. Sie veranstalteten einen Gitarrenwettstreit untereinander. Falls Dan Paul gewann, würde Two-John mit ihm kommen, und falls Two-John gewann, würde er Dan Pauls Gitarre behalten. Two-John gewann den Wettstreit, doch er war so beeindruckt, dass er Dan Paul seine Gitarre ließ. Und was noch viel wichtiger war: Er packte seinen Tod in Dans Gitarre. Deshalb konnte Dan spielen wie zwei oder drei Gitarristen gleichzeitig, denn Two-Johns Tod schlug die Saiten von der anderen Seite an.«
    Zachary räusperte sich und sagte: »Ich stimme dafür, dass wir die Gitarre mit ihm begraben.«
    Kein Widerspruch regte sich.
    »Was hältst du von der Geschichte, Fish?«, fragte Memory.
    »Sie ist ein Märchen«, antwortete Fish. »Erfunden von der
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