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Der Räuber Hotzenplotz

Der Räuber Hotzenplotz

Titel: Der Räuber Hotzenplotz
Autoren: Otfried Preußler
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plötzlich dem großen Zauberer Petrosilius Zwackelmann gegenüber. Wie um alles in der Welt kam er denn aus der Räuberhöhle auf einmal hierher? Und wo war er da hingeraten? Seppel war so verdattert, als sei er vom Mond gefallen.
    Aber auch Petrosilius Zwackelmann blickte ziemlich belämmert drein. Was wollte der wildfremde Mensch da in seinem Zauberkreis? Das konnte unmöglich mit rechten Dingen zugehen! Seit er sich mit der Zauberei abgab (und immerhin tat er das nun schon seit fünfzig Jahren), war ihm so etwas noch nicht vorgekommen.
    »Wer bist du, zum Henker?«, schnaubte der große Zauberer.
    »Ich?«, fragte Seppel.
    »Ja, du!«, fauchte Zwackelmann. »Und wie kommst du hierher?«
    »Wie ich hierher komme, weiß ich selber nicht. Aber ich bin der Seppel.«
    »Der Seppel bist du? Das stimmt nicht!«
    »Wieso?«, fragte Seppel.
    »Wieso?«, knurrte Petrosilius Zwackelmann. »Weil der Seppel ganz anders aussieht! Ich kenne ihn nämlich, er war bei mir Dienstbote. Dieser Hut da« – er zeigte auf Seppels Hut, der im Zauberkreis auf dem Boden lag – »dieser Hut ist von ihm.«
    »Dieser Hut?«, fragte Seppel. Und plötzlich ging ihm ein Licht auf, er musste lachen.
    »Du lachst?«, rief der große Zauberer. »Warum lachst du?«
    »Weil ich mir nun erklären kann, wen Sie meinen. Sie meinen den Kasperl! Genau wie der Räuber Hotzenplotz! Auch der hat den Kasperl und mich verwechselt.«
    Petrosilius Zwackelmann horchte auf. Er ließ sich von Seppel erzählen, wie er mit Kasperl den Hut und die Mütze getauscht hatte. Langsam begriff er, wie alles zusammenhing. Hotzenplotz hatte ihm also den Kasperl verkauft, weil er gedacht hatte, dass er der Seppel sei. Eine schöne Geschichte! Dann war es kein Wunder, wenn er mit Hilfe von Seppels Hut nur den richtigen Seppel herbeizaubern konnte und nicht den falschen.
    »Pfui Schwefel und Schusterpech!«
    Der große Zauberer spuckte Gift und Galle. Was hatte der Räuber Hotzenplotz ihm da eingebrockt! Aber noch gab es ja einen Ausweg aus dieser Patsche. Er brauchte nur Kasperls Zipfelmütze, dann konnte er auch den Kasperl herbeizaubern.
    Auf keinen Fall durfte Seppel Verdacht schöpfen, deshalb bediente sich Petrosilius Zwackelmann einer List.
    »Wenn ich dir glauben soll, dass du wirklich der Seppel bist, dann beweise es!«
    »Aber gern«, meinte Seppel. »Sie brauchen mir nur zu sagen, wie ich das machen soll.«
    »Nun – ganz einfach, indem du mir Kasperls Mütze gibst.«
    »Kasperls Mütze? Das geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie der Räuber Hotzenplotz doch verbrannt hat!«
    »Verbrannt?«, fragte Zwackelmann.
    »Ja«, sagte Seppe!. »Er hat sie vor meinen Augen ins Feuer geworfen. Aus purer Bosheit!«
    »Aus Bosheit?« Der große Zauberer schlug mit der Faust auf den Tisch, dass es nur so krachte. »Aus Dummheit! Aus Unverstand! Oh, dieser Hotzenplotz, dieser verdammte Blödian! Es ist zum Die-Wände-Hochlaufen!«
    Petrosilius Zwackelmann rannte ein paarmal laut schimpfend in seinem Studierzimmer auf und ab. Dann blieb er vor Seppel stehen und fragte ihn:
    »Wem gehört dieser Stiefel in deiner Hand? Gehört er dem Hotzenplotz?«
    »Ja«, sagte Seppel.
    »Dann her damit, her damit! Diesen Unglückswurm will ich mir gleich mal vorknöpfen!«
    Eilends zog Petrosilius Zwackelmann einen neuen Zauberkreis. Genau auf die Stelle, wo sich die Striche kreuzten, stellte er diesmal den Stiefel des Räubers Hotzenplotz. Wieder hob er die Arme und fuchtelte in der Luft herum; dazu rief er mit Donnerstimme:

    »Herbei, herbei, 
    Wo auch immer er sei! 
    Des Stiefels Besitzer, Er stelle sich ein: 
    Wo der Stiefel ist, Soll er auch selber sein! 
    Hokuspokus – so sei es!«

    Auch diesmal verfehlte der Zauberspruch seine Wirkung nicht. Es gab einen Krach, eine Stichflamme – und inmitten des Zauberkreises stand wie aus dem Boden gewachsen der Räuber Hotzenplotz. Er trug seinen warmen Hausrock und war in Strumpfsocken. Im ersten Augenblick machte auch er ein unbeschreiblich verdutztes Gesicht, dann fing er zu lachen an.
    »Zwackelmann!«, rief er, »ha-ha, alter Spaßvogel, du gefällst mir! Das nenne ich einen Zauberer! Zaubert mich einfach aus meiner Höhle in sein Studierzimmer! – Sieh mal an, und der Kasperl ist auch hier! Ich hatte mir schon den Kopf zerbrochen, wohin er verschwunden war . . .«
    »Schweig!«, unterbrach ihn der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann. »Erstens ist das der Seppel und nicht der Kasperl – und zweitens hörst du sofort mit dem
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