Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Räuber Hotzenplotz

Der Räuber Hotzenplotz

Titel: Der Räuber Hotzenplotz
Autoren: Otfried Preußler
Vom Netzwerk:
Schlossturm, wo er gelandet war, begab sich der große Zauberer schnurstracks hinab in den Speisesaal. Er nahm an der Tafel Platz, band sich eine Serviette um, klatschte dann in die Hände und rief: »Seppel, auftragen!«
    Es verging eine ganze Weile, aber nichts rührte sich.
    »Seppel!«, rief Zwackelmann. »Auftragen! Hörst du nicht, dass ich dich rufe? Wo bleibst du denn?«
    Auch diesmal geschah nichts dergleichen.
    »Na warte, du Schlafmütze!«, schimpfte der große Zauberer. »Soll ich dir Beine machen? Jetzt reicht's mir aber!«
    Er schnackelte mit den Fingern und wünschte sich einen Ochsenziemer herbei. Dann rannte er in die Küche und wetterte:
    »Her da, du Satansbraten! Ich prügle dich grün und blau! Was erlaubst du dir, elende Kröte von einem Dienstboten? Willst du den großen Zauberer Zwackelmann warten lassen? Her mit dir, Faulpelz! Ich dresche dich windelweich! Ich verhaue dich, bis du krumm und lahm bist!«
    In seinem Zorn schlug der große Zauberer Zwackelmann mit dem Ochsenziemer ein paarmal wild auf den Küchentisch. Dann erst merkte er, dass da noch immer drei Eimer Kartoffeln standen, die nicht geschält waren.
    »Was?«, rief er, »wie? Du bist weggelaufen von deiner Arbeit? Potz Schwefel und Höllenfeuer, das sollst du mir nicht noch einmal tun! Komm herzu und zwar augenblicklich!«
    Aber was half alles Schimpfen und Rufen und Auf-denTisch-Schlagen? Es half gar nichts! Da knurrte der große Zauberer:
    »Ha, ich weiß schon, der Bursche wird sich versteckt haben. Aber ich finde ihn! Ja, zum Teufel, ich finde ihn – und dann soll er mich kennen lernen!«
    Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern: Da verwandelte sich der Ochsenziemer in eine brennende Fackel. Die Fackel über dem Kopf schwenkend, rannte er kreuz und quer durch das ganze Schloss. Er suchte in allen Sälen und Kammern, er stieg in den Keller und kletterte auf den Dachboden, leuchtete jeden Winkel ab, schaute in alle Nischen und Ecken, unter die Möbel und hinter die Vorhänge. Doch so viel er auch suchte und suchte und weitersuchte: Er fand nichts.
    Mit einem Mal kam dem großen Zauberer ein Gedanke. Er eilte, so schnell ihn die Beine trugen, hinaus in den Kräutergarten. Tatsächlich – da lag, ein paar Schritte vom Zaun entfernt, in der Mitte des Petersilienbeetes, der Seppelhut.
    »Pest und Hölle!«
    Der große Zauberer Zwackelmann ballte die Fäuste und spuckte aus. Auf den ersten Blick war ihm klar, was geschehen war. Dieser Bursche, der Seppel, so dumm er auch sein mochte, hatte es also geschafft: Er war ausgerissen!
    Woher wusste er, wie das zu machen war?
    »Wie dem auch sei«, dachte Petrosilius Zwackelmann, »ich muss handeln! Der Kerl soll sich wundern, wie rasch ich ihn wieder in meine Gewalt bekomme, ich habe ja seinen Hut!«
    Man muss wissen, dass Petrosilius Zwackelmann jeden Menschen, von dem er ein Kleidungsstück bei der Hand hatte, ohne Mühe herbeizaubern konnte.
    »Ans Werk!«, rief der große Zauberer grimmig und warf die Fackel weg.
    Mit beiden Händen ergriff er den Seppelhut und rannte in sein Studierzimmer. Her mit der Zauberkreide! Nun rasch auf dem Fußboden einen magischen Kreis gezogen und quer durch den Kreis ein paar Striche . . .

    »So – es kann losgehen!«
    Petrosilius Zwackelmann legte den Hut in die Mitte des Zauberkreises, genau auf die Stelle, wo sich die Striche kreuzten. Dann trat er zurück, hob die Hände und fuchtelte in der Luft herum. Den Blick auf den Hut geheftet, rief er mit Donnerstimme:
    »Herbei, herbei , 
    Wo auch immer er sei! 
    Des Hutes Besitzer, Er stelle sich ein: 
    Wo der Hut ist, Da soll er auch selber sein! 
    Hokuspokus – so sei es!«

    Kaum hatte der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann die Beschwörung ausgesprochen, da gab es einen gewaltigen Krach. Aus dem Fußboden des Studierzimmers schlug eine grelle Flamme empor, und inmitten des Zauberkreises, genau auf der Stelle, wo sich die Striche kreuzten, stand – Seppel.
    Der richtige Seppel.
    Der, dem der Hut gehörte.
    Er hielt in der linken Hand einen schwarzen Lederstiefel, er hielt in der rechten Hand eine Schuhbürste.
    Alles in schönster Ordnung – »des Hutes Besitzer« hatte sich eingestellt.
    Und doch ist es schwer zu sagen, wer von den beiden im Augenblick dümmer dreinschaute: Kasperls Freund Seppel oder der große und böse Zauberer Petrosilius Zwackelmann.

Ein Mann, ein Wort

    Eben noch hatte Seppel dem Räuber Hotzenplotz die Stiefel geputzt – und nun sah er sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher