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Der Räuber Hotzenplotz

Der Räuber Hotzenplotz

Titel: Der Räuber Hotzenplotz
Autoren: Otfried Preußler
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Zwackelmann in die Schlossküche; als er sah, dass der arme Seppel noch immer am Schälen war, fing er zu schimpfen an; er brüllte und tobte so schrecklich, dass Seppel vom Hocker purzelte und – aufwachte.
    Da saß er nun auf dem Fußboden in der Küche und rieb sich die Augen. Er sah, dass der Morgen gekommen war und es wurde ihm klar, dass er bloß geträumt hatte. Aber dass Zwackelmann fürchterlich tobte und wetterte, hatte ihm nicht geträumt, das war echt! Von seinem Gebrüll widerhallte das ganze Zauberschloss.
    Auch der Gimpel im Vogelkäfig war wach geworden. Er flatterte auf und nieder und zwitscherte Seppel die Ohren voll.
    »Halt den Schnabel!«, rief Seppel.
    Er lief an die Küchentür, um zu lauschen. Was mochte dem großen Zauberer über die Leber gelaufen sein, dass er ein solches Geschrei machte?
    Aber mit einem Schlag hörte Zwackelmann auf damit. Eine Zeit lang blieb alles still draußen, totenstill. Dann erschallte die Stimme des großen Zauberers abermals: diesmal besonders zornig, aber für wenige Augenblicke nur.
    »Was er bloß hat?«, dachte Seppel.
    Er griff nach der Türklinke, öffnete, trat auf den Flur hinaus. Niemand zu sehen und nichts zu hören . . .
    Doch halt! – auf der Kellertreppe ein Lichtschein und Schritte. Dort kam jemand heraufgestiegen. Aber das war nicht der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann – das war Kasperl!
    Seppel stieß einen lauten Juchzer aus. Dann lief er mit ausgebreiteten Armen auf Kasperl zu.
    »Kasperl!«
    In seiner Freude hätte er Kasperl am liebsten zu Mus gequetscht.
    »Seppel!«, rief Kasperl. »Ich denke, du bist in der Räuberhöhle! Was tust du hier?«
    »Ich?«, sagte Seppel. »Ich habe Kartoffeln geschält und jetzt freu ich mich wie ein Schneekönig! – Aber sag mal . . .«
    Erst jetzt hatte Seppel die Fee Amaryllis bemerkt. Sie war hinter Kasperl die Kellertreppe heraufgekommen und Seppel riss Mund und Augen auf, als er sie sah.
    »Wer ist denn die Dame?«, fragte er.
    »Die Dame ist eine Fee«, sagte Kasperl, »die Fee Amaryllis.«
    »Was für ein schöner Name, er passt zu ihr!«
    »Findest du?«, meinte die Fee Amaryllis und lächelte. »Aber wer bist denn du?«
    »Der?«, sagte Kasperl, weil Seppel vor lauter Staunen nicht Zeit fand, ihr gleich zu antworten, »das ist mein Freund Seppel. Der beste Freund auf der ganzen Welt. Aber wie er auf einmal hierher kommt, das weiß ich selbst nicht, er muss es mir erst erzählen. Schieß los, Seppel! – Also . . .?«
    Die Fee Amaryllis kam Seppel jedoch zuvor.
    »Er mag es dir draußen erzählen«, sagte sie. »Kommt jetzt mit mir ins Freie. Da Zwackelmann tot ist, soll auch sein Schloss nicht länger bestehen bleiben. Ich werde es . . .«
    »Was?«, fragte Kasperl.
    »Das sollt ihr gleich sehen.«
    Die Fee Amaryllis nahm Kasperl an der einen Hand und Seppel an der anderen. Sie wollte die beiden Freunde hinausführen, aber Seppel machte sich von ihr los.
    »Augenblick noch, ich muss etwas holen!«
    Er lief in die Küche und holte den Vogelkäfig.
    »Nanu?«, meinte Kasperl, als Seppel zu ihnen zurückkam, »ein Piepmatz?«
    »Jawohl«, sagte Seppel schmunzelnd, »ein Gimpel – aber ein ganz besonderer.«
    Nun folgten die beiden der Fee Amaryllis hinaus vor das Schlosstor. Dort hieß sie die Fee ein Stück weiter gehen, bis an den Waldrand. Sie selbst aber blieb zurück und als Kasperl und Seppel den Waldrand erreicht hatten, wandte sie sich dem Schloss zu und hob die Hand. Da stürzte das graue Gemäuer lautlos in sich zusammen und nichts blieb von Zwackelmanns Zauberschloss übrig als ein Haufen geborstener Mauersteine und Dachziegel, und darunter begraben der Unkenpfuhl.

    Die Fee Amaryllis ließ rings um den Schutthaufen eine Dornenhecke emporwachsen. Dann kehrte sie ihr den Rücken und kam auf die beiden Freunde zu. Sie ging nicht: Sie schwebte. Und wo sie vorüberschwebte, da neigten sich Laub und Gras.
    »Ich schulde dir großen Dank, Kasperl«, sagte sie. »Sei gewiss, dass ich niemals vergessen werde, was du an mir getan hast.«
    Sie zog einen schmalen Goldreif von ihrem Finger.
    »Nimm diesen Ring und behalte ihn!«, sprach sie. »Doch wisse, es ist ein Wunschring. Drei Wünsche stehen dir frei. Wie auch immer sie lauten mögen: Wenn du sie aussprichst und drehst ihn, erfüllt er sie dir. Und nun gib mir die Hand, Kasperl!«
    Kasperl ließ sich den Ring an den Finger stecken und dankte der Fee Amaryllis. Aber die Fee Amaryllis entgegnete, wenn hier jemand zu danken habe, dann
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