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Der Raecher

Titel: Der Raecher
Autoren: Frederick Forsyth
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bereit waren, ihn aufzunehmen. Es war die Zeit Elvis Presleys, Del Shannons, Roy Orbisons und der Beatles, die aus einem Land kamen, von dem Cal noch nie gehört hatte. Es war die Zeit Kennedys, des Kalten Kriegs und Vietnams.
    Jobs ergaben sich und wurden erledigt. Sie zogen durch die Städte East Orange, Union und Elizabeth im Norden, dann weiter zu Baustellen bei New Brunswick und Trenton. Eine Zeit
lang, als Dexter senior Vorarbeiter bei einem kleinen Bauprojekt war, lebten sie in den Pine Barrens. Danach ging es in den Süden nach Atlantic City. Zwischen seinem achten und sechzehnten Lebensjahr besuchte Cal neun Schulen. Was er dort lernte, passte auf eine Briefmarke.
    Dafür sammelte er anderweitig Erfahrungen und lernte, sich auf der Straße durchzuboxen. Wie seine mittlerweile verstorbene Mutter wurde er nicht größer als einen Meter zweiundsiebzig, doch in seinem schmächtigen Körper steckte eine unglaubliche Kraft und in seinen Fäusten ein mörderischer Punch. Einmal trat er in einer Schaubude gegen einen Kirmesboxer an, schlug ihn k.o. und kassierte zwanzig Dollar Preisgeld.
    Ein nach billiger Pomade riechender Mann sprach seinen Vater an und schlug vor, der Junge solle in seine Sporthalle kommen und Boxer werden. Doch sie zogen weiter in eine neue Stadt, zu einem neuen Job.
    Für einen Urlaub fehlte das Geld, und so begleitete der Junge den Vater in den Ferien einfach auf die Baustelle. Er kochte Kaffee, erledigte Botengänge und übernahm Gelegenheitsarbeiten. Bei einem dieser Botengänge geriet er an einen Mann mit grüner Schirmmütze, der ihm einen Ferienjob anbot. Er sollte bei verschiedenen Adressen in Atlantic City Umschläge abliefern und mit keinem Menschen darüber reden. So kam es, dass er in den Sommerferien 1965 für einen Buchmacher den Laufburschen spielte.
    Cal Dexter mochte auf der untersten Stufe der sozialen Leiter stehen, aber er war ein aufgeweckter Junge und hatte Augen im Kopf. Ohne Eintrittskarte schlich er sich ins Kino am Ort und bestaunte die Glitzerwelt Hollywoods, die weiten Hügellandschaften des Wilden Westens, den Glamour und Pomp der Leinwandmusicals und die schrägen Gags in den Komödien mit Dean Martin und Jerry Lewis.
    Er sah in den Fernsehspots schicke Wohnungen mit Edelstahlküchen, lächelnde Familien und Eltern, die sich zu lieben
schienen. Er sah die glänzenden Luxuslimousinen und Sportwagen auf den Plakatwänden über dem Highway.
    Er hatte nichts gegen die Arbeiter auf dem Bau. Sie waren harte, ruppige Burschen, behandelten ihn jedoch freundlich, jedenfalls die meisten. Auf der Baustelle trug er einen Helm, und alle gingen davon aus, dass er nach der Schulzeit in die Fußstapfen seines Vaters treten und Bauarbeiter werden würde. Doch ihm schwebte etwas anderes vor. Ganz gleich, so schwor er sich, was für ein Leben er führen würde, Hauptsache weit weg vom Krach eines Presslufthammers und dem beißenden Staub einer Betonmischmaschine.
    Dann begriff er, dass er für dieses bessere Leben mit einem komfortablen Einkommen nichts vorweisen konnte. Er spielte mit dem Gedanken, zum Film zu gehen, glaubte jedoch, dass alle Kinostars groß gewachsene Männer seien, nicht ahnend, dass die meisten eher kleiner als er waren. Das dämmerte ihm erst, als eine Bardame zu ihm sagte, er habe Ähnlichkeit mit James Dean. Doch die Bauarbeiter brüllten vor Lachen, und so schlug er sich die Idee aus dem Kopf.
    Der Sport konnte einen Jungen von der Straße holen und zu Ruhm und Reichtum führen, aber bei seinen kurzen schulischen Gastspielen bekam er nie die Gelegenheit, sich einen Platz in einer Schulmannschaft zu erobern.
    Alles, wofür man eine ordentliche Schulbildung oder gar Zeugnisse brauchte, konnte er vergessen. Somit blieben nur andere unqualifizierte Jobs wie Kellner, Hotelpage, Tankwart oder Lieferwagenfahrer. Die Liste war endlos, aber die meisten boten so wenig Aussichten, dass er gleich auf dem Bau bleiben konnte. Die Arbeit dort war zwar hart und gefährlich, wurde deshalb aber besser bezahlt als die meisten anderen.
    Blieb noch die kriminelle Laufbahn. Wer in den Hafenvierteln oder Bauarbeitercamps von New Jersey aufwuchs, dem konnte nicht verborgen bleiben, dass man ein Luxusleben mit schönen Wohnungen, schnellen Autos und leichten Mädchen führen
konnte, wenn man sich mit dem organisierten Verbrechen einließ und mit den Gangs die Straßen unsicher machte. Angeblich landete nur selten einer im Gefängnis. Er war kein Italoamerikaner, deshalb blieb ihm der
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