Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Purpurkaiser

Titel: Der Purpurkaiser
Autoren: Herbie Brennan
Vom Netzwerk:
auf. Am besten konzentrierte er sich darauf, fertig zu werden.
    Der Hermelinumhang, den er während der Zeremonie tragen musste, hing im Kabinenschrank. Er holte ihn heraus und legte ihn sich um die Schultern, starrte sich im Türspiegel an.
    Er dachte an seinen Vater, der denselben Umhang bei seiner Krönung getragen hatte. Er dachte an seine Mutter, die für eine so tragisch kurze Zeit Elfenkönigin gewesen war. Dann wandte er sich ab und stieg zum goldenen Deck hinauf, damit seine getreuen Untertanen ihn sehen konnten, während die Barke langsam auf die Anlegestelle der Kathedrale zuhielt.
     

Einhundertundvier
     
    D er Ouklou hielt zwischen Reihen von Kaiserlichen Soldaten und dicht gedrängten, jubelnden Trauben von Elfen. Als Henry ausstieg, war er überrascht, dass sämtliche Uniformierte vor ihm salutierten, dann begriff er, dass die Ehrenbezeugungen nicht ihm galten, sondern Mr Fogarty in seiner Funktion als Torhüter, dem sämtliche Wachtruppen unterstellt waren.
    Mr Fogarty in seiner Lord-Nelson-Kluft erwiderte den Salut mit einer beiläufigen Handbewegung, dann wandte er sich an den nächsten Captain.
    »Alle anwesend?«
    »Ja, Sir.«
    »Lord Hairstreak?«
    »Ja, Sir.«
    »Unsere Leute bereit?«
    »Ja, Sir.«
    »Mein Namensschild wie angewiesen neu platziert?«
    »Ja, Sir. Wie angewiesen, Sir.«
    Henry starrte zur Kathedrale und fragte sich, was das mit dem Namensschild sollte. Das Gebäude war riesig und stellte St. Paul’s oder Westminster Abbey oder jede andere Kathedrale, die er je gesehen hatte, locker in den Schatten. Aber nicht die Größe war beeindruckend – sondern die Architektur. Der gesamte Bau hatte ein helles, klöppelspitzenartiges Aussehen, als stammte er direkt aus einem Fantasy-Bild. Er sah aus, als ob er beim nächstbesten Windstoß umfallen würde, aber irgendjemand hatte Henry erzählt, dass das Bauwerk seit siebenhundert Jahren stand und sogar einmal den direkten Einschlag eines Meteors überstanden hatte.
    »Kronprinz Pyrgus?«, fragte Mr Fogarty den Captain.
    »Die Kaiserliche Barke wird in fünf Minuten anlegen«, sagte der Captain. Er zeigte zum Fluss. »Wenn Sie dort hinüberschauen, Sir, können Sie sie sehen.«
    »Exzellent«, sagte Mr Fogarty. Er wandte sich zu Henry um. »Kommen Sie, junger Iron Prominent, wir nehmen besser unsere Plätze ein.«
    Dies war der Moment, vor dem Henry sich gefürchtet hatte. Seine Hose saß genauso eng wie zuvor.
     
    Als Henry die Kathedrale betrat, blieb er erstaunt stehen. Sämtliche Bankreihen waren dicht vom Hochadel des Elfenreichs besetzt und ein jeder wetteiferte mit dem anderen in der Pracht und Kostbarkeit seines Ornats. Henry sah bunte Blöcke von Trinianern, stattliche Halekzauberer und Repräsentanten von Völkern, von denen er noch nicht einmal gehört hatte. Das Stimmengewirr erinnerte an das Summen riesiger Bienen.
    »Hallo, Henry«, sagte jemand mit sanfter Stimme im Gang zu seiner Linken.
    Einen Moment lang erkannte er sie nicht, dann ging ihm auf, dass es sich um Nymphalis handelte. Sie hatte die vertraute grüne Uniform gegen eine Pelzkluft vertauscht, in der sie aussah wie Conan der Barbar.
    »Hallo, Nymph.« Henry grinste. »Tolle Klamotten.«
    Nymph beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich wollte sehen, wie Prinz Pyrgus gekrönt wird, aber niemand soll merken, dass ich aus dem Wald komme.«
    »Da kommen sie in tausend Jahren nicht drauf«, versicherte Henry ihr, als Mr Fogarty ihn am Ärmel zog.
    Während er zum Mittelgang weiterging, fiel Henry auf, dass der Altar der Kathedrale nicht im Osten platziert war wie in den Kirchen, die er kannte, sondern im Zentrum des riesigen Baus. Er bestand aus einem goldenen Würfel, über dem eine schimmernde Kugel zuckenden Lichts schwebte, die seine Augen hypnotisch anzog.
    »Was ist das?«, fragte er Mr Fogarty.
    »Irgendeine Vorrichtung, die für die Manifestation Gottes sorgt.« Er schnaubte und fügte zynisch hinzu: »Allzu oft lässt er sich aber nicht sehen, schätze ich.«
    Sie gingen zusammen zum Altar und Henry verbeugte sich, Mr Fogartys Beispiel folgend, vor dem Thron. »Sehr gut«, flüsterte Mr Fogarty. »Und jetzt gehen wir auf unsere Plätze – du sitzt neben mir.«
    Ganz vorn stand ein seltsam geformter Lehnstuhl, der dem Hüterstuhl ähnelte, den Henry gesehen hatte, als er zum Ritter des Graudolch-Ordens geschlagen worden war, aber Mr Fogarty beachtete den Stuhl nicht weiter, sondern führte Henry die Stufen zu den höher gelegenen Plätzen hinauf.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher