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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber
Autoren: Petra Hammesfahr
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versprochen? Hatte er sich darauf verlassen, dass Ben mit seinen beschränkten verbalen Mitteln niemandem verraten konnte, wo Britta Lässler war? Aber es hatte schließlich noch eine Zeugin gegeben. Hatte Heinz Lukka also nur ein widerliches Spiel mit den Beamten in Lohberg getrieben? «Bitte sehr, ihr Trottel, hier steht der Mann, den ihr fragen solltet. Begleitet mich nach Hause und macht der Sache ein Ende.»
    Ich war sicher, dass ihm auch Marlene Jensen und Edith Stern zum Opfer gefallen waren. Doch dafür gab es keine Beweise. Und wie das so ist bei grausamen Mordfällen, dem Staatsanwalt sitzt die Presse im Nacken, die Öffentlichkeit will ein rasches Ergebnis sehen. Das hatten wir, allerdings nur im Fall Lässler.
    Der Staatsanwalt wollte die Sache abschließen und sagte: «Wenn Lukka auch die beiden anderen Frauen getötet hat, hat er die Leichen vermutlich im Auto weggeschafft, in beiden Fällen hatte er mehr Zeit. Fragen können wir ihn leider nicht mehr. Versuchen Sie Ihr Glück von mir aus bei dem Jungen. Aber ich bezweifle, dass er eine vernünftige Auskunft geben kann. Die Frage ist ja auch, ob er von den beiden anderen etwas mitbekommen hat.»
    «Das muss er», sagte ich. «Sonst hätte er keinen Grund gehabt, sich aufzuführen wie ein Wilder.»
    Bens Kopfverletzung war nicht so schwerwiegend, wie Thea Kreßmann es sich gewünscht hatte. Er war zwei Tage nach der Operation aus der Bewusstlosigkeit erwacht, starrte seitdem ängstlich und verwirrt in fremde Gesichter, wimmerte, wenn jemand an sein Bett trat. «Freund, Finger weg, Fein, Rabenaas.» Niemand wusste, was er meinte, niemand fand ein Wort, ihn zu beruhigen und zu trösten. Ich auch nicht.
    Bei seiner Mutter konnte ich mir keinen Rat holen, wie man mit ihm umgehen musste. Trude kämpfte auf der Intensivstation einer Kölner Klinik noch immer um ihr Leben. Die Ärzte hielten sie in künstlichem Koma. Jakob war mir erst recht keine Hilfe. Er verbrachte die Vormittage am Bett seiner Frau. Nachmittags saß er bei seiner jüngsten Tochter, deren Leben ebenfalls am seidenen Faden hing. Abends suchte er Trost bei etlichen Biergläsern in Ruhpolds Schenke, brach oft unvermittelt in Tränen aus und flüsterte: «Wie soll ich ihm je wieder in die Augen sehen – oder Paul? Das kann ich doch nie gutmachen.»
    Jedes Mal legte ihm Wolfgang Ruhpold die Hand auf den Arm und mahnte: «Mach dich nicht kaputt, Jakob. Jeder macht mal einen Fehler. Du hast die Situation falsch eingeschätzt. Das hätte mir auch passieren können.»
    Ich dachte, mit einem vertrauten Gesicht an meiner Seite hätte ich bei Ben eher Erfolg. Aber von Jakobs Begleitung versprach ich mir nichts. Abgesehen davon, dass es für ihn eine Tortur gewesen wäre, wollte ich es auch Ben nicht zumuten. Man musste nicht schwachsinnig sein, um den Mann zu fürchten, der einem den Schädel eingeschlagen hatte.
    Antonia Lässler mochte ich nicht um ihre Begleitung bitten. Bärbel von Burg redete sich mit einem Schwangerschaftsproblem heraus. Frau Doktor Anita Schlösserhatte ihren Bruder seit Jahren nicht mehr gesehen und bezweifelte, dass er sie noch kannte. Illa von Burg wäre bereit gewesen, mir zu helfen, wenn sie sich etwas davon versprochen hätte. Aber sie meinte: «So vertraut bin ich nicht mit ihm. Und mehr als das, was er bisher gesagt hat, kann er gar nicht sagen. Wenn er zu toben beginnt, weil er nach Hause will, das halte ich nicht aus.»
    Ben war noch weit davon entfernt zu toben. Den zweiten Besuch an seinem Bett machte ich mit Uwe und Toni von Burg. Ich hatte ein Foto von Marlene Jensen dabei. Seinen Schwager und Toni von Burg beachtete Ben nicht. Er warf einen kurzen Blick auf das Foto, schaute mich an und sagte: «Rabenaas.»
    Als ich über die Botschaft der USA endlich ein Foto von Edith Stern erhielt, versuchte ich mein Glück zum drittenmal mit Unterstützung eines Psychologen. Das Ergebnis blieb dasselbe. Da Ben sein obligatorisches «Rabenaas» in meine Richtung sprach, gelangte der Psychologe zu der Ansicht, Ben fühle sich von mir bedrängt und bringe nur zum Ausdruck, was er von mir dachte.
    Als Sibylle Faßbender sich bei uns meldete, hatte ich mich bereits damit abgefunden, das Schicksal von Edith Stern und Marlene Jensen nicht klären zu können. Sibylle Faßbender hatte von Illa erfahren, dass Ben wieder bei Bewusstsein war und ich händeringend jemanden suchte, zu dem er Vertrauen hatte.
    An einem Freitagnachmittag Mitte September holte ich sie im Café Rüttgers ab und
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