Der Puls von Jandur
zurückschicken.«
Der Lord legte Matteo die Hand auf die Schulter. Schwer war sie. Und warm. »Lith hat nichts damit zu tun. Sie war nur die Ausführende. Ich ließ dich nach Jandur holen.«
»Dann schicken Sie mich eben zurück. Wo liegt das Problem?«
»Es ist nicht möglich, tut mir leid.«
Er saß hier fest? Nein, das konnte dieser Lord nicht mit ihm machen, da hatte er sich geschnitten.
Demonstrativ verschränkte Matteo die Arme. »Ich rühre mich nicht von der Stelle. Sie können mich nicht zwingen mit Ihnen mitzugehen.«
Lord Nador zog seine Hand zurück. »Nein, das will ich auch nicht. Doch du kannst nicht ewig hier stehenbleiben und du kannst auch sonst nirgendwo hin. Du bist allein in einem fremden Land, du kennst niemanden, der dir weiterhelfen kann. Du bist auf mich angewiesen, nicht wahr?« Er sandte Matteo einen nachsichtigen Blick. »Komm, du bist geschwächt, du musst essen und trinken und dich ausruhen.«
Er hatte Recht. Natürlich. Matteo stieß den Atem zischend aus. Wie man es auch drehte und wendete, dieser Lord hatte ihn in der Hand. Zumindest jetzt. Es wäre dumm, weiter auf stur zu schalten. Und dumm war er ganz gewiss nicht.
»Komm, Matteo«, wiederholte der Lord, ging voraus und öffnete die Tür.
Ergeben folgte er Nador. Ein muffiger Geruch strömte ihm entgegen, sie mussten sich ein gutes Stück unter der Erde befinden.
Vor der Tür standen zwei Wachen in beiger Uniform mit Goldknöpfen und braunen Stiefeln, ein jeder mit einer Lanze bewaffnet.
Ein solcher Soldat hat Lith weggebracht, dachte Matteo .
Der Lord nickte ihnen zu. »Löschen Sie die Fackeln, dann können Sie sich zurückziehen.«
Die Soldaten salutierten. »Zu Befehl, mein Lord.«
Lord Nador führte Matteo einen langen Gang entlang. Auch hier bedeckten unregelmäßige Steinplatten den Fußboden, Sand füllte die Fugen. Rote und graue Ziegel wölbten sich über ihren Köpfen. Alle paar Meter erhellten Öllampen ihren Weg. Am Ende stiegen sie eine Wendeltreppe hoch, tauchten hinter einem Paravent aus der Unterwelt auf und gelangten in eine große Halle.
Unerwartete Helligkeit empfing sie. Durch hohe Rundbogenfenster an der Frontseite fiel das Sonnenlicht, die Luft roch viel frischer als unten im Gewölbe. Matteo atmete durch und blickte sich genauer um.
Rostrot gestrichene Wände boten Platz für die obligatorischen Teppiche und für Ölleuchter, deren Messingarme sich in spektakulären Verrenkungen nach oben wanden. Links und rechts befanden sich mehrere Türen, ein großes, zweiflügeliges Holztor schien der Haupteingang zu sein. Es war geschlossen.
Der Lord hielt Matteo eine Tür auf. »Hier ist unser Speisezimmer.«
Eine riesige Tafel aus dunklem Holz und sechzehn Stühle füllten den behaglichen Raum. Von der Decke hing ein Kronleuchter mit dicken Kerzenstumpen. Mehr war da nicht.
Am Kopfende des Tisches war für zwei Personen gedeckt: Teller aus weißem Porzellan, Besteck, Servietten. Auf silbernen Platten häuften sich Berge von Fleisch und Gemüse, in großen Schalen lag Obst - Bananen, Äpfel, Erdbeeren, Weintrauben und allerlei exotische Früchte, die Matteo nicht kannte. Kristallene Gläser und eine große Karaffe, gefüllt mit Rotwein, standen bereit.
Auch hier reihte sich ein Rundbogenfenster an das andere. Viel konnte Matteo draußen nicht erkennen, das gewellte Glas verhinderte freie Sicht, doch zumindest leuchtete es dahinter grün. Bäume hoffentlich. Die Sorge, in diesem Land ständig mit Neuem und Unbekanntem konfrontiert zu werden, verursachte ein dumpfes Stechen in seinem Hinterkopf. Dem ersten Eindruck nach schien er in der Hochblüte des Mittelalters gelandet zu sein. Ein beunruhigender Gedanke.
Gegenüber, vor einer weiteren Tür, warteten die Bediensteten – zwei Mädchen, in bodenlange Röcke und enge Blusen gekleidet. Ganz in Weiß. Als Matteo und der Lord näher kamen, zogen sie die Stühle hervor.
»Setz dich bitte«, wurde Matteo von Lord Nador aufgefordert.
Sie nahmen beide Platz und die Dienstmädchen trugen ihnen Fleisch und Gemüse auf. Matteo inspizierte das aus schwerem Silber gefertigte Besteck. Die Gabel hatte zwei Zinken, die Schneide des Messers war gerillt. Beides sah verwendbar aus.
»Danke, genug«, murmelte er, da die Berge auf seinem Teller bereits nicht zu bewältigende Dimensionen annahmen. Das erste Mal fragte er sich, woran es lag, dass er sich hier problemlos verständigen konnte. Sprach man in Jandur deutsch?
Das Mädchen nickte lächelnd und wollte
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