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Der Prophet des Teufels

Der Prophet des Teufels

Titel: Der Prophet des Teufels
Autoren: Will Berthold
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geboren.«
    »Wieso?« fragt der Kriminalrat.
    »Die Sache sprach sich herum. Der General hörte sie. Er ließ Hanussen kommen und fand Gefallen an ihm. Er wurde aus der kämpfenden Truppe gezogen und zur Truppenbetreuung versetzt.«
    »Gar nicht so schlecht«, sagt der Kriminalrat. Im gleichen Augenblick beißt er sich auf die Zunge. Bemerkungen dieser Art sind nicht mehr geschätzt. Er vergißt immer wieder, daß inzwischen neue Herren in den »Alex« eingezogen sind. Herren in Uniform und Stiefeln, mit wenig Erfahrungen im Polizeidienst und großen Reformplänen. Revolution der Dilettanten. Wie sich das Bild in wenigen Tagen geändert hat! Wie schnell sie zugreifen, wie sie sich in die Schlüsselstellungen einnisten, gestützt auf SA-Stürme und bewährte Saalschlacht-Rabauken. Der Kriminalrat drückt unwillig seine Zigarette aus. Er ist da, um einen Vermißten zu suchen. Was geht ihn der braune Umbruch an.
    »Einmal spielte Hanussen sogar vor dem Kaiser«, fährt der Zeuge aus Wien fort. »Er hat auch etwas dafür bekommen. Ich habe ihn dann aus den Augen verloren. Nach dem Kriege habe ich dann wieder von ihm gehört. Er war bei einem winzigen Wanderzirkus gelandet. Da ist er eines Tages mit der Frau des Direktors durchgebrannt und hat die Zirkusrequisiten im Pfandhaus abgeliefert.«
    Der Kriminalrat lächelt. Solche Geschichten kennt er zu Dutzenden. Frauen, Frauen, immer wieder Frauen! Der Mann hat sie gefressen. Schon damals. Vor seinem Appetit konnte einem Angst werden.
    Wieder allein, blättert Mölders weiter in den Akten.
    Die Sache mit dem »Ronacher« in Wien. Das war Hanussens erster großer Coup in der Öffentlichkeit. Das »Ronacher« war meist halb leer, denn bei der Konkurrenz trat Breitbart auf. Dieser Artist hatte Ketten zerrissen, Eisenstangen gebogen und Schlösser gesprengt.
    Dann kam eines Tages Hanussen.
    »Ich habe eine ganz große Attraktion«, sagte er zu dem Direktor, »Sie können mit mir wetten.«
    »Ich wette nie.«
    »Hübsches Mädchen haben Sie im Vorzimmer.«
    »Das weiß ich.«
    »Sie wird heute abend Ketten zerreißen, die doppelt so stark sind, wie die von Breitbart.«
    »Sie sind verrückt«, erwiderte der Direktor.
    Aber er sah sich die Geschichte an. Und jetzt wurde er verrückt. Er trat fünfzig Prozent der Reineinnahmen an Hanussen ab. Welch ein Rummel! Ein neunzehnjähriges, schmächtiges, blondes Mädchen mit Riesenkräften!
    Das »Ronacher« ist ausverkauft. Allabendlich. Bis zum letzten Platz. Bis das Personal streikt und die Sache aufkommt. Hanussen hatte mit federleichten Papprequisiten gearbeitet und sein Publikum getäuscht.
    Breitbart übrigens auch.
    Von da aus ging er in die Tschechoslowakei. Alles ist da. Genau registriert im Akt. Die Polizei hat den Magier eigentlich nie recht aus dem Auge gelassen. Nur am Schluß, da ist er ihr auf einmal entschwunden.
    Das Telephon klingelt. Kriminalrat Mölders hebt langsam den Hörer ab.
    »So«, sagt er, »wieder einmal. Wie viele tote Hanussen verkaufen Sie mir eigentlich noch? Das ist der fünfte, nicht?«
    »Nein, der sechste«, antwortet die Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Ich komme«, sagt der Kriminalrat.
    Der Landarbeiter Mathias Hummel ist entschlossen, seinen Bauern zu verlassen. In die Stadt will er. Einen Tag noch wird er bleiben, aber er wird sich kein Bein mehr ausreißen. Er hat elf Furchen gepflügt. Das reicht ihm.
    Es ist wunderbar warm. Mathias läßt seine Kühe einfach stehen und sucht sich einen Grasfleck. Vor drei, vier Tagen hat es in Strömen gegossen. Der ganze Boden ist noch aufgeweicht. Dann kam der Wind, und jetzt scheint wieder die Sonne.
    Mathias Hummel blinzelt faul gegen das Licht. In die Fabrik wird er gehen. Jetzt rauchen ja die Schornsteine wieder, und hübsche Mädchen gibt es da auch. Er dreht sich auf die andere Seite. Er hat seinen Platz gut gewählt. Er liegt versteckt, und es kommen ganz wenig Leute vorbei.
    Um Gottes willen!
    Er sieht etwas, und die Luft bleibt ihm vor Entsetzen weg. Er will hingehen, aber er wagt es nicht. Er zwingt sich dazu.
    Ein Fuß! Ein Bein! Ein Mensch im Schlamm!
    Mathias läuft davon, so schnell er kann. Er alarmiert die Polizei.
    Sieben Stunden später wird ein Zeuge ins Polizeipräsidium gebeten.
    »Wie heißen Sie?« fragt Kriminalrat Mölders den blonden, schmächtigen jungen Mann.
    »Dzino.«
    »Vorname?«
    »Ismet.«
    »Sie waren der Sekretär von Hanussen?«
    »Ja.«
    »Sie müssen uns helfen«, fährt der Kriminalrat fort. »Ich kann Ihnen
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