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Der Prophet des Teufels

Der Prophet des Teufels

Titel: Der Prophet des Teufels
Autoren: Will Berthold
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Geld haben, ob sie ihre Frauen betrügen, welche Partei sie wählen und was sie hören oder nicht hören wollen. Ich brauche einen Mann, der ganz fix ist. Ich glaube, Sie sind das.«
    Hanussen lehnt sich zurück, zündet sich eine Zigarette an. Er spricht mit geschlossenen Augen. Sein Gesicht ist kalt.
    »Hören Sie ihre Gespräche mit an! Durchsuchen Sie ihre Mäntel! Fragen Sie ihren Chauffeur aus! Schicken Sie ihnen eine schöne Frau auf den Pelz! Lassen Sie sie von Detektiven überwachen! Machen Sie siebetrunken! Sagen Sie mir, welche Krankheiten sie hatten und vor welchen sie sich fürchten! Nennen Sie mir die Lieblingszigaretten, ihre Vorstrafen, ihre Leidenschaften, ihre Süchte! Es gibt nichts, was für Erik Jan Hanussen nicht interessant wäre. Machen Sie mit den Leuten, was Sie wollen, aber geben Sie mir auf schnellstem Wege Bescheid! Sehen Sie mich nicht so entsetzt an! Auch ein Hellseher weiß nicht alles. Nehmen Sie mir Arbeit ab! Sie werden sehen, wie die Firma Hanussen & Dzino blüht, 2000, 3000, 4000 im Monat für Sie. Sie werden einen eigenen Wagen fahren. Sie werden die schönste Frau von Berlin heiraten. Man wird sich um Sie reißen.«
    Er rüttelt ihn an der Schulter.
    »Was ist, Dzino?« Er sieht ihn von oben bis unten an. »Es ist nicht weit her mit Ihrem Leben jetzt, nicht? Haben Sie nicht schon überlegt, in eine Gemüsehandlung einzuheiraten?«
    »Stimmt genau!« Dzino lacht. »Warum brauchen Sie einen Assistenten, wenn Sie alles wissen?«
    »Ja oder nein?«
    »Sie wissen doch genau, daß mir der Gerichtsvollzieher keine Wahl läßt.«
    »Ihr seid zwei fade Tröpfe«, sagt Marion. »Auf, ihr Faulpelze! Jetzt wird getanzt!«
    Sie winkt dem Kapellmeister. Er rüstet zu einem Tango. Hanussen bezahlt.
    »Kommen Sie, Dzino. Wir gehen in die Lietzenburger Straße auf einen Mokka. Und die beiden hier nehmen wir mit.«
    An diesem Abend findet der Meister seinen Gesellen, seinen Regisseur und seinen Zauberlehrling. Der elegante, ein wenig verkommene junge Mann mit der dunklen Herkunft und dem seltsamen Namen wird zu einer zweiten Attraktion der großbürgerlichen Villa an der Lietzenburger Straße. Dzino: Das bedeutet noch mehr Kunden, noch mehr Frauen, noch größere Gelage, noch hemmungslosere Orgien. Dzino steigert die Reklame und fördert den Umsatz. Er verschafft seinem Meister neue Freunde, versorgt sie mit Geld oder nimmt es ihnen ab, je nach Bedarf und Laune. Er ist gleichzeitig Manager, Assistent, Pressechef und Vertrauter. Er regelt das Protokoll des Protokoll-Losen. Er findet die verlassenen Frauen Hanussens ab und schafft neue heran. Der Prophet des Teufels hat des Teufels Hexenmeister entdeckt.
    Der Erfolg ist häufig ein Feind des Verstandes. Hanussen steigt er zu Kopf. Er wohnt nicht mehr: Er residiert. Er prophezeit nicht mehr: Er befiehlt. Er bittet nicht mehr: Er diktiert. Er ist ein überheblicher, satter, größenwahnsinniger Despot von Teufels Gnaden. Er läßt sich eine märchenhafte Einrichtung für seine Vierzehnzimmerwohnung in der Lietzenburger Straße anfertigen. Sein Schreibtisch ist die größte, die extravaganteste, die aufdringlichste Kommandobrücke, die je hergestellt wurde. In die Wände werden Tierkreiszeichen eingelassen. Raffinierte Beleuchtungseffekte und Duftanlagen sorgen in seiner Villa für Atmosphäre.
    Er läßt sich für teures Geld ein überlanges Auto mit überstarkem Motor anfertigen. Auf dem Wannsee schaukelt seine Jacht. Verwöhnte Mitglieder der Berliner Gesellschaft bitten demütig darum, an den Ausfahrten teilnehmen zu dürfen. Die Gästelisten werden gedruckt. Tonaufnahmegeräte halten jedes Gespräch im Hause des Magiers fest.
    Die Autoauffahrt muß oft von der Polizei geregelt werden. Hanussen befehligt eine kleine Armee von Privatdetektiven. Er posaunt seine Weibergeschichten in alle Welt hinaus. Die erlebten wie die erfundenen. Er beginnt Leute, die nicht an ihn glauben, die seine Herkunft kennen, die sich über seine Roßtäuschermanieren belustigen, zu hassen. Die unsichtbare Grenze zwischen Genialität und Größenwahn existiert für den Mann, der als Heinrich Steinschneider in Wien zur Welt kam, der sich vom Rummelplatz zur Artistik und von der Artistik bis in die verwöhnteste Gesellschaft durchschlug, nicht mehr. Er ist ständig berauscht von seinem eigenen Erfolg. Er posiert. Er spricht von sich selbst in der dritten Person. Er wird zu einem Vielfraß des Effekts, des Geldes, der Liebe. Er wird der aufdringlichste, der lauteste, der
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