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Der Prometheus-Verrat

Der Prometheus-Verrat

Titel: Der Prometheus-Verrat
Autoren: Robert Ludlum
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lösen und verfügte über einen enormen Fundus an geopolitischem Wissen. Gleichzeitig war er körperlich sehr gewandt, was man ihm beim besten Willen nicht ansah. Bryson erinnerte sich, wie Waller einmal am Schießstand ganz nonchalant aus zwanzig Meter Entfernung einen Volltreffer nach dem anderen gelandet und sich dabei zerknirscht über den Niedergang des britischen Schneiderhandwerks ausgelassen hatte. In seiner riesigen, weichen Pranke war die 22er wie ein kleiner Handschmeichler fast verschwunden, doch er verstand sie zu führen, als sei sie ein Teil von ihm.
    »Du sprichst in der Vergangenheitsform, Ted«, sagte Bryson. »Soll wohl heißen, dass du mich schon aufgegeben hast.«
    »Ich meine nichts anderes, als was ich gesagt habe«, entgegnete Waller ruhig. »Mit einem Besseren als dir habe ich nie zusammengearbeitet und werde es wohl auch nicht.«
    Dank seines Temperaments und jahrelangen Trainings fiel es Nick nicht schwer, nach außen ruhig zu bleiben, obwohl
er im Inneren Aufruhr verspürte. Du warst der Beste, den wir je hatten . Das klang fast wie der Nachruf auf einen Toten. Bryson erinnerte sich noch lebhaft an Wallers Reaktion auf seinen ersten operativen Coup, als es ihm gelungen war, das versuchte Attentat auf einen südafrikanischen Reformpolitiker zu vereiteln. Nicht schlecht , hatte Waller gesagt und die Lippen fest aufeinander gepresst, um sein Grinsen zu verbergen. Ein schöneres Lob hatte er nie erhalten, und er hatte begriffen: Ist man erst als wertvoll erkannt, wird man auch eingesetzt.
    »Nick, was du auf den Komoren geschafft hast, wird dir so leicht keiner nachmachen. Ohne dich wäre da jetzt dieser wahnsinnige Oberst Denard an der Macht. Und auf Sri Lanka verdanken dir Tausende von Menschen ihr Leben, weil du die Routen des Waffenhandels hast auffliegen lassen. Und in Weißrussland? Die GRU hat immer noch keinen Schimmer und wird auch nie erfahren, was du da abgezogen hast. Überlassen wir’s den Politikern, ihre Farben innerhalb der Linien aufzutragen, die wir gezogen haben. Die du gezogen hast. Die Historiker werden davon nichts erfahren, und das ist gut so. Es reicht, wenn wir Bescheid wissen, oder?«
    Bryson antwortete nicht. Eine Antwort war nicht gefragt. »Und noch etwas anderes, Nick. Man rümpft hier die Nasen wegen dieser Sache mit der Banque du Nord.« Er bezog sich auf Brysons Einstieg in eine tunesische Bank, durch die er Gelder zur Finanzierung des geplanten Anschlags an Abu und die Hisbollah transferiert hatte. Im Verlauf der Operation waren dann eines Nachts 1,5 Milliarden Dollar spurlos im Cyberspace verschwunden. Monatelange Recherchen waren zu keinem Ergebnis gekommen. Die Geschichte hatte einen losen Faden, und das Direktorat mochte keine losen Fäden.
    »Du unterstellst mir doch wohl nicht, dass ich mich selbst bedient hätte?«
    »Natürlich nicht. Aber du wirst verstehen, dass immer ein Verdacht zurückbleibt. Die Frage schwebt im Raum, solange keine Antwort darauf gefunden wird.«

    »Mir haben sich schon oft Gelegenheiten zur persönlichen Bereicherung geboten, die sehr viel lukrativer und diskreter gewesen wären.«
    »Ja, du bist gründlich geprüft worden und hast alle Prüfungen mit Bravour bestanden. Aber was mir nicht passt, ist die Methode. Dass du, um verwertbares Material gegen Abu und Konsorten zu sammeln, ihnen diese Gelder hast zukommen lassen.«
    »Improvisation nennt man so was. Dafür werde ich bezahlt – dass ich meine Fähigkeiten möglichst diskret einsetze, wann und wo Bedarf dafür besteht.« Bryson stockte und merkte auf. »Aber woher weißt du das eigentlich? Darüber gibt’s doch noch gar keinen Bericht von mir.«
    »Du hast alles schon haarklein erzählt, Nick«, sagte Waller.
    »Von wegen … ach, ich verstehe, ihr habt mich mit euren Chemikalien voll gepumpt, stimmt’s?«
    Waller zögerte einen Augenblick, lange genug, um Brysons Frage zu beantworten. Wenn es darauf ankam, konnte Ted Waller unumwunden und perfekt lügen, doch Bryson wusste, dass es sein alter Freund und Mentor kaum über sich brachte, ihn für dumm zu verkaufen. »Auch in dieser Hinsicht habe ich nicht das letzte Wort, Nick. Für Informationsbeschaffung sind andere zuständig. Das weißt du.«
    In diesem Moment wurde Bryson klar, warum er so übermäßig lange in der von Amerikanern geführten Klinik in Laayoune hatte zubringen müssen. Er war, ohne selbst etwas davon zu merken, zum Sprechen gebracht worden, und zwar wahrscheinlich mit einem Zusatzmittel in
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