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Der Profi

Der Profi

Titel: Der Profi
Autoren: Fernando S. Llobera
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Lautstärke. Sie war kurz davor, es an die Wand zu schmeißen. Dann sah sie, dass auf dem Bildschirm die Dienstnummer des Kommissariats aufblinkte.
    »Navarro!«
    »Guten Morgen, Hilfskommissarin«, antwortete eine Stimme am anderen Ende in offiziellem Tonfall. »Der Chef lässt Ihnen ausrichten, dass sich in der George-Sand -Siedlung eine Explosion ereignet hat. Bitte kommen Sie unverzüglich zum Tatort!«
    »Eine Explosion?«, fragte Cruz mit verschlafener Stimme. »Gas? Was … was ist denn genau passiert?«
    »Ich habe keine weiteren Informationen«, erklärte die Person am anderen Ende in unverändertem Ton. »Möglicherweise ein Attentat!«
    Cruz sprang auf, sie war schlagartig hellwach.
    »Ja, ist gut … Ich bin schon unterwegs!«
    Sie streckte eine Hand in Richtung Radiowecker aus. Die grünlich verschwommenen Ziffern (eine Folge von Übermüdung und Kurzsichtigkeit) zeigten 04.23 Uhr an. Eine höchst unpassende Zeit für Probleme in der George-Sand- Wohnsiedlung! Der Mann neben ihr rappelte sich auf und stützte sich auf seinen Ellbogen. Dann sagte er:
    »Du Liebling, unsere Nummer von heute Nacht war einfach Klasse!«
    »Freut mich«, erwiderte Cruz, als sie das Bett verließ.
    »Nein, nein, ich meine das ganz ehrlich! Ich hab mich noch nie so gut gefühlt. Du bist die perfekte Frau … Autsch, dröhnt mir die Birne! Der Wein …«
    Cruz wusch sich im Bad das Gesicht, während die Lobhudelei im Hintergrund weiterlief. Sie betrachtete sich im Spiegel: Sie hatte nach wie vor eine ausgezeichnete Figur, da hatte er Recht! Auch ihre Brüste hielten noch immer dem Gesetz der Schwerkraft stand, und ihr Po konnte der Männerwelt ebenfalls weiterhin Komplimente entlocken. Aber wie lange noch? Sie war zu dürr. Sie aß zu wenig und ernährte sich ungesund. Manchmal verschlang sie eine Handvoll geriebenen Käse direkt aus der Tüte, manchmal bestand ihr Abendessen nur aus einer Flasche Rotwein. Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. So konnte es nicht weitergehen! Ihre Augenringe waren das Ergebnis vieler schlafloser Nächte, und ihre hängenden Schultern verrieten den Druck, der auf ihr lastete. Gegen den Kater der vergangenen Nacht schluckte sie schnell zwei Schmerztabletten, dann putzte sie sich die Zähne.
    »Morgen muss ich auf Geschäftsreise nach Barcelona. Ich bin wahrscheinlich am Wochenende wieder zurück. Samstag könnten wir zusammen Abendessen gehen …«, rief die Stimme aus dem Bett.
    »Wir könnten uns doch auch mal vormittags treffen und am Strand spazieren gehen, Carlos«, erwiderte Cruz. Aber sie bereute ihre Worte sofort. Ihre Äußerung bewies einmal mehr, dass sie selbst an ihrer Situation schuld war.
    »Cruz, Schatz, du weißt doch, dass das nicht geht. Wohin gehst du denn so früh am Morgen? Wir könnten doch noch … Du weißt schon …«
    »Carlos, ich hab zu tun«, entgegnete sie wütend. »Sorry, aber ich fühl mich total erschöpft und verstehe gerade selbst nicht, was mit mir los ist oder was ich eigentlich will …«
    Der Mann lehnte sich bequem im Bett zurück und verschränkte die Arme im Nacken:
    »Cruz, hinterfrag doch nicht immer alles. Unsere Situation ist nicht perfekt, aber wir haben zusammen Spaß! Zu Hause kann ich davon nur träumen …«
    »Lassen wir das Thema! Ich muss jetzt los. In der Küche findest du heißen Kaffee, unter dem Waschbecken liegt eine Schachtel Aspirin. Schließ bitte die Tür ab, wenn du gehst, und leg den Schlüssel an den gewohnten Platz.«
    »Cruz …«
    »Das ist kein Leben auf Dauer!«, sagte sie sich beim Hinausgehen. Sie verabschiedete sich mit dem üblichen Witz:
    »Und denk dran: Ich bin bei der Kripo. Also lass besser nichts mitgehen!«
    Als sie aus dem Hauseingang trat, wehte ihr eine Brise feuchter, salziger Luft ins Gesicht, die direkt vom Meer kam und über den Hafen und die Kathedrale bis zu ihrer Wohnung in der Altstadt von Palma de Mallorca drang. Die kleine Wohnung verfügte über Wohnküche, Schlafzimmer, Bad. Knapp sechzig Quadratmeter hinter der Santa-Eulalia-Kirche, Ecke Rambla, einen Steinwurf vom Rathaus entfernt, in der Nähe des Bischöflichen Palais und der Seu. Fünfhundert Euro Miete, für ihr Gehalt eine stolze Summe. Cruz hatte die Wohnung gefunden, als man sie aus der nordspanischen Provinz Vizcaya nach Palma versetzt hatte. Sie war im Baskenland geboren und auch dort aufgewachsen. In der konfliktreichen Atmosphäre von Barakaldo, acht Kilometer außerhalb von Bilbao. Dort hatte Cruz Jura studiert und sich anschließend
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