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Der Profi

Der Profi

Titel: Der Profi
Autoren: Fernando S. Llobera
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Flashback , bei dem sich, wenn das Ende naht, das eigene Leben noch einmal wie ein Film vor einem abspult?) Eleuterio war der jüngste von drei Geschwistern, er hatte unter der Gleichgültigkeit seiner beiden älteren Schwestern und dem eisernen Willen seiner Mutter zu leiden gehabt. Diese hatte sich die erste Zeit ihres Ehelebens der Aufgabe gewidmet, eine makellose Gattin zu werden, danach ihre Kinder großzuziehen, und seither beklagte sie sich nur noch über ihre zahlreichen Krank heiten. Dabei stützte sie ihren Glauben hauptsächlich auf zwei Dinge: den Diktator Francisco Franco und die katholische Laienorganisation Opus Dei , die Institution also, die an die dreißig Jahre lang versucht hatte, am Vermögen seines Vaters Don Eleuterio senior zu knabbern. Irgendwann ging es mit der elterlichen Textilfabrik den Bach hinunter, zum Schluss wurde sie für einen immer noch beträchtlichen Preis verkauft und der Erlös unter allen Familienmitgliedern aufgeteilt.
    Das Hupen eines Autos, mit dem er beinahe zusammengestoßen wäre, brachte Eleuterio schlagartig in die Gegenwart zurück. »Wach auf, Junge!«, sagte er sich vorwurfsvoll. »Du bist noch längst nicht am Ende. Selbst wenn es im Moment schlecht läuft … Du kriegst das schon auf die Reihe!«
    So oder so ähnlich dachte Eleuterio Zabaleta, als er, sich selbst Mut zusprechend, seinen Porsche in der Tiefgarage des Unternehmens auf dem Parkplatz Nr. 16 abstellte.
    Alle Lichter der Führungsetage waren – wie um diese Uhrzeit üblich – noch ausgeschaltet. Eleuterio öffnete mit einem Sicherheitsschlüssel sein Privatbüro. Es war sein Heiligtum, die Festung, von der aus er das Unternehmen leitete und wo er seine kostbarsten Besitztümer aufbewahrte. So etwa den auf ein Bild gebannten melancholischen Realismus einer Madrider Straßenszene von der Hand des Malers Antonio López und andere vergleichbar wertvolle Gemälde. Außerdem seine Cohibas, die ihm von seiner Ehefrau strikt untersagt waren, die umfangreiche Sammlung seiner Golfpokale nebst Fotos, auf denen er mit wichtigen Persönlichkeiten der spanischen Gesellschaft zu sehen war.
    Seine Sekretärin würde erst später eintreffen. Normalerweise blätterte er in der Zwischenzeit in den Tageszeitungen, aber heute hatte er dazu keine Lust. Er schaltete den PC ein, drückte seinen Kopf gegen die Lehne und schloss die Augen. Er erwartete schlechte Nachrichten: der monatliche Finanzabschluss! Mit geschlossenen Augen lauschte er den typischen Klingeltönen von Windows, die das Hochfahren des Rechners begleiteten, und dem Schnurren der Festplatte, während Programme und Anwendungen geladen wurden. Er spürte einen dumpfen Schmerz hinter den Augen. Während der Minute, die der Computer fürs Hochfahren brauchte, saß er ruhig auf seinem Platz und bemühte sich, den Kopf leer zu bekommen, genau wie der Yogalehrer seiner Frau es ihm beizubringen versucht hatte. Dann richtete Eleuterio Zabaleta sich im Sessel auf und doppelklickte auf sein E-Mail-Konto: Eine Sekunde hegte er die Hoffnung, die Mitarbeiterin für Finanzen des Unternehmens könne vergessen haben, ihm den Bericht zu schicken, den er jeden 25. des Monats von ihr vorgelegt bekam und mit dessen Hilfe er gemeinsam mit den Abteilungsleitern die künftigen Ausgaben plante. Aber es war eine höchst unwahrscheinliche Hoffnung, dazu war die Frau viel zu gewissenhaft. Und so war es: Nach kurzem Piepsen aus dem Lautsprecher tauchte unter »Eingegangene Mails« eine Nachricht von [email protected] auf.
    Eleuterio Zabaleta öffnete die E-Mail zögerlich, beugte sich vor und rückte die Lesebrille zurecht. Im angehängten Dokument fand er, nach Kunden geordnet, an oberster Stelle die Einnahmen der letzten vier Wochen sowie die Prognose für den Folgemonat. Er verschaffte sich einen Überblick über die einzelnen Posten und schnaubte laut auf. Hastig prüfte er Ausgaben, Zulieferer, Gläubiger, Gehälter, weitere Ausgaben, Steuern, Abschreibungen, Zinsen aus Darlehen für Investitionen, Bankschulden, die allgemeine und konsolidierte Bilanz bis dato, den aktuellen und den zu erwartenden Firmenumsatz. Am Ende bestätigte sich, was er ohnehin längst wusste: Die Bilanz ergab eine reine Katastrophe, und die Aussicht für die Folgemonate war kaum besser. Um ihn herum brach die Finanzwelt nach und nach in sich zusammen. Es gab Experten, die der Meinung waren, der gesamte Globus verlange nach einer neuen Wirtschaftsstruktur, damit Fälle wie Lehman Brothers, AIG ,
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