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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau
Autoren: R. Scott Bakker
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die Standarten von Gaidekki und Ingiaban ins Stocken gerieten, während die der Nansur voranschlichen. Die unerschrockenen Infanteristen der Kolonne Selial kämpften sich den Weg ins Lager des Padirajah frei. Dann verstummten die Trommeln der Heiden, und überall hörte man Inrithi singen und triumphieren. Cinganjehoi floh. Proyas, der Prinz von Conriya, erschlug den riesigen Cojirani, den blutdürstigen Granden von Mizrai. Kascamandri, der ruhmreiche Padirajah von Kian, starb durch die Hand des Kriegerpropheten, und sein Kopf wurde auf die Fahnenstange des Dûnyain gesteckt. Dem windigen Fanayal aber – dem ältesten Sohn des Padirajah – war es gelungen, seine kostbaren Geschwister verschwinden zu lassen.
    Die anrückenden Inrithi vor sich und das gefallene Lager hinter sich, griffen die Granden von Chianadyni und Girgash ein ums andere Mal an, doch Galeoth und Ainoni ließen sich von diesen Verzweiflungstaten nicht beeindrucken, sondern attackierten sie ungestüm und weinten, als sie sie niedermetzelten, da sie nie einen so dunklen Ruhm gekannt hatten.
    Nach der Schlacht kletterten einige auf die Kadaver der Mastodonten, hielten ihr Schwert ins grelle Sonnenlicht und verstanden Dinge, die sie nicht kannten.
    Der Heilige Krieg war losgesprochen.
    Ihm war vergeben.
    Die überlebenden Granden wurden an Platanen aufgeknüpft und hingen im Abendlicht wie Ertrunkene da, die eben aus der Tiefe an die Oberfläche gekommen waren. Jahre würden vergehen, ehe jemand sie zu berühren wagte. Jedem aber, der ihnen lauschte, würden sie eine Offenbarung zuflüstern… Das Geheimnis des Kampfs.
    Unbeugsame Überzeugung also. Und unbezwingbarer Glaube.
     
     
    AKSSERSIA, VORFRÜHLING 4112
     
    Mit hochgeschlagenem Umhang und Pelz ritt Aëngelas in einer langen Reihe von Reitern über die Ebene von Gâl. Seit Tagen regnete es. Sie folgten einer breiten Trampelspur im Gras. Ab und an stießen sie auf den nackten Fußabdruck eines Kindes im Schlamm. Starke Männer, die Aëngelas sein Leben lang kannte, weinten laut bei diesem Anblick.
    Sie nannten sich Werigda und suchten nach ihren verschwundenen Frauen und Kindern. Zwei Tage zuvor waren die Krieger nach einem kleinen, erfolgreichen Raubzug in ihr Lager zurückgekehrt und hatten statt ihrer Lieben nur Zerstörung und Spuren eines Gemetzels vorgefunden. Aus hartgesottenen Kämpfern wurden panische Gatten und Väter, die durch die Trümmer hetzten und Namen riefen. Doch als ihnen klar wurde, dass ihre Liebsten entführt und nicht getötet worden waren, wurden sie wieder zu Kriegern. Und sie ritten los, getrieben von Liebe und panischer Angst.
    Am späten Vormittag traten gewaltige Steinbauten aus dem strömenden Regen: die von Moos und Flechten überwachsenen Ruinen von Myclai, das einst Hauptstadt von Akssersia und – bis auf Trysë – die größte Stadt des Alten Nordens gewesen war. Aëngelas hatte keine Ahnung von den Alten Kriegen und dem stolzen Akssersia, doch ihm war bewusst, dass sein Stamm die Apokalypse überlebt hatte und inmitten der Reste einer gewaltigen Zivilisation lebte.
    Sie folgten der Spur über Wälle hinweg, zwischen Säulen hindurch, die nichts mehr trugen, und an Mauern entlang, die allmählich zerfielen. Die Sranc, denen sie folgten, waren weder Kig’krinaki noch Xoägi’i, gehörten also nicht zu den Clans, die seit Menschengedenken mit ihnen rivalisierten. Sie waren einem anderen, bösartigeren Clan auf den Fersen, dem sie noch nie begegnet und dessen Mitglieder zum Teil – ganz ungewöhnlich für die Sranc – beritten waren. Schweigend durchquerten sie Myclai, die tote Stadt, und stellten sich taub gegen ihren Vorwurf, der den Überlebenden galt.
    Am Abend hatte der Regen aufgehört, doch die zunehmende Kälte, die zu ihrer Angst trat, ließ aus ihrem Zittern ein Schaudern werden. Sie entdeckten eine Feuerstelle, und als Aëngelas mit seinem Messer in der Asche stocherte, entdeckte er ein Häufchen kleiner Knochen. Kinderknochen. Die Werigda knirschten mit den Zähnen und heulten den dunklen Himmel an.
    Da an Schlaf nun nicht mehr zu denken war, ritten sie weiter. Die Ebene schien ein riesiges Leichentuch zu sein, das an allen Enden dem Abgrund, den unwahrscheinlich grausamen Plänen ausgesetzt war. Was hatten sie getan? Womit hatten sie die menschenschubsenden Götter erzürnt? Hatte das Hirschfeuer nicht hoch genug gelodert? Waren die Kälber krank gewesen?
    Zwei weitere kalte Regentage vergingen in Wut und zitternder Angst. Aëngelas sah die
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