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Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Titel: Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
Autoren: Torsten Fink
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Häuser, die thronartigen Stühle auf den Plätzen, die ausschließlich seiner Familie vorbehalten waren. Er erinnerte sich noch an jede Einzelheit: die hoch stehende Sonne, die schwitzenden Wasser- und Weinverkäufer, die flatternden Fahnen, die Gerüche von gebratenem Fleisch, die klebrigen und süßen Leckereien.
    Sein Vater hatte ihm erklärt, nach welchen Regeln dort unten gekämpft wurde, als wenn er das nicht längst gewusst hätte, und dass er bald auch so eine Rüstung tragen würde wie jene jungen Helden, die von der Menge bejubelt wurden. » Eines Tages « – er hatte die Stimme seines Vaters noch im Ohr – » eines Tages werden sie auch deinen Namen rufen. «
    Und jetzt brüllten sie diesen Namen, aber Vil wusste, dass sie nicht nach ihm, sondern nach seinem Vater schrien.
    » Fürchtet euch nicht, Kinder « , sagte die kühle Stimme seiner Mutter. » Den Mitgliedern unseres Hauses steht die Furcht schlecht an. «
    Vil schaute zu ihr auf. Sie war blass, noch blasser als sonst, und das kurzgeschorene rote Haar ließ sie für einen Augenblick ganz fremd aussehen. Jetzt lächelte sie ihm zu, ohne dass sie viel Wärme in dieses Lächeln zu legen vermochte. Dann beugte sie sich zu ihm und flüsterte: » Vil, du musst deinen Geschwistern ein Vorbild sein. «
    Er schluckte und sah die Furcht in den Augen von Tiuri und Faras. Man hatte auch ihnen die Haare kurz geschoren, angeblich, um die Läuse, die sie sich in diesem Kerker geholt hatten, zu bekämpfen, aber er nahm an, dass man es nur getan hatte, um sie weiter zu demütigen. Ob er wohl ebenso verängstigt und elend aussah wie seine beiden Geschwister? Seine Mutter hatte recht. Er musste sich zusammenreißen. Er war zu alt, um zu weinen.
    Der Offizier stand immer noch in der schweren Eisentür und schien auf sie zu warten.
    » Kommt, Kinder « , sagte Vils Mutter und erhob sich. Sie nahm Faras und Tiuri an der Hand. Für Vil war keine Hand mehr frei.
    » Seid Ihr wirklich sicher, dass Ihr das wollt, Doma Rohana? « , fragte der Offizier im Gang.
    » Ich will es sehen, und ich will, dass auch meine Kinder mit ihren eigenen Augen sehen, welches Unrecht hier geschieht. Sie sollen es nicht vergessen. «
    Der Offizier zuckte mit den Achseln, gab seinen Männern einen Wink und hob die Laterne, um den Weg zu beleuchten.
    Vor ihnen öffnete sich ein dunkler Gang, nein, eine Treppe, die Vil wie ein Schlund erschien, bereit, ihn und seine Familie zu verschlingen.
    Sie stiegen langsam hinab. Die Wände mochten einst hell getüncht gewesen sein, aber die Jahrhunderte, in denen hier wohl schon viele Männer mit Fackeln entlanggegangen waren, hatten sie geschwärzt. Die Stufen waren ausgetreten und uneben, und Vil fragte sich, wie viele Menschen hier schon hinabgestiegen und ob sie alle von so großer Furcht erfüllt gewesen waren wie er selbst.
    Das Gebrüll klang gedämpft durch die dicken Wände. Wie tief waren sie schon gekommen? Seltsame, fremde Gerüche stiegen Vil in die Nase. Er war nie in den Katakomben der Arena gewesen, sein Vater hatte ihm das ausdrücklich verboten, und die üblen Gerüche, die ihm entgegenschlugen, ließen ihn ahnen, dass es dafür gute Gründe gab.
    Einer der Wächter schien seinen Blick bemerkt zu haben, denn er deutete auf eine dunkle Pforte und sagte: » Dahinter liegen die Eingeweide der Arena, junger Merson. Sie sind sonst etwas lebhafter, aber all die Huren und Diebe sind wohl jetzt oben, um das Spektakel zu sehen. Später, nach der Hinrichtung, da wird es hier zugehen, wie es sich deinesgleichen nicht einmal vorstellen kann. «
    » Haltet die Klappe, dahinten! « , raunzte der Offizier.
    Endlich, als Vil schon glaubte, die Treppe würde geradewegs immer weiter bis in die untersten Höllen führen, hielten sie an.
    Der Offizier kratzte sich am Hinterkopf. » Ich frage Euch noch einmal, Doma Rohana, wollt Ihr das Euch und Euren Kindern wirklich antun? «
    » Ihr kennt meine Antwort. «
    Der Mann entriegelte seufzend eine eiserne Pforte und öffnete sie. Sofort schwoll der Lärm an, und immer noch brüllte die Menge denselben Namen. Vil sah fahles Licht durch schmale, vergitterte Fenster knapp unter der Decke der steinernen Kammer einfallen. Da draußen musste sie sein, die Arena, voller Licht und – Vil konnte es fühlen – voller Hass.
    » Kommt, Kinder, zeigt ihnen die Würde der Häuser Merson und Gremm « , sagte seine Mutter mit bleichem Gesicht.
    Plötzlich tauchte ein schwarzer Umriss in der Pforte auf, versperrte ihnen den
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