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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester
Autoren: Gerard O'Donovan
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Kopfwunde zeigte eindeutig, dass ihn jemand von hinten mit einem schweren, scharfkantigen Gegenstand geschlagen hatte. Seitdem war auch schon eine ganze Zeit vergangen, wenn man die große Blutlache betrachtete, die auf dem Boden gerann.
    »Ein Pressefotograf?«, vermutete Cassidy und deutete auf die Profikamera, die neben dem Mann lag. »Wahrscheinlich sind sie zusammen hergekommen, und er hat sie überrascht.«
    »Ja«, sagte Mulcahy und versuchte, sich vorzustellen, wie die Szene sich in der Garage abgespielt hatte. »Aber was ist mit Siobhan?«
    »Ich ruf einen Krankenwagen«, sagte Cassidy und stand auf. Dabei fiel ihm jedoch noch etwas in der Garage ins Auge. Er bückte sich und untersuchte einen Ölfleck auf dem Boden. »Hier muss der Wagen gestanden haben. Vor nicht allzu langer Zeit stand hier jedenfalls ein Fahrzeug. Glauben Sie, dass er sie irgendwo anders hingebracht hat? Weil er wusste, dass man ihn entdeckt hatte?«
    »Genau das fürchte ich«, sagte Mulcahy. »Der Lieferwagen ist seine mobile Folterkammer. Trotzdem müssen wir uns hier erst mal richtig umsehen. Das andere Mädchen wird ja auch noch vermisst, also kann er auch beide im Haus versteckt haben.«
    Mulcahy stand auf, nahm eine Taschenlampe aus dem Regal und versuchte verzweifelt, sich irgendetwas einfallen zu lassen. Als Cassidy sein Telefonat beendet hatte, hatte er zumindest einen Plan. »Am besten sagen Sie auch Brogan Bescheid, damit die Kavallerie uns zu Hilfe eilen kann. Ich geh zurück ins Haus und seh nach, ob ich etwas finde.«
    Mulcahy rannte los und rief dabei Siobhans Namen. Er trommelte gegen die Haustür und spähte in die Kellerfenster. Das einzige Ergebnis war jedoch, dass das Licht im Nachbarhaus angestellt wurde. Er lief zum Durchgang zwischen der Remise und dem Haus. Die Holzpforte war abgeschlossen, nachdem er aber die Schulter kräftig dagegengestemmt hatte, sprang sie auf und knallte gegen die Wand. Er rannte weiter und schrie dabei aus vollem Hals Siobhans Namen.
    Die Welt war pechschwarz, und alles außer dem stechenden Schmerz schien weit weg und gedämpft zu sein. Einzig wichtig war nur der Schmerz, der sie wie eine Klinge aus weißem Licht verfolgte, sie in der Ecke quälte, in der sie sich, in dem verzweifelten Versuch, ihm zu entkommen, zusammengerollt hatte. Heulend vor Angst betete sie, lieber zu sterben, als dass er wieder zu ihr zurückkehrte. Dann klopfte es laut. Eine Glocke ertönte. Es klopfte noch lauter. Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich in dem Bemühen, sich noch kleiner zu machen, damit diese neuen Höllenqualen sie nicht fanden.
    Dann wurde es wieder ruhig, und sie schwankte zwischen Ohnmacht und unbeschreiblicher Angst. So verging vielleicht eine Stunde, vielleicht aber auch nur eine Minute. Wieder klopfte es. Dann ein Krachen, das die Luft um sie herum wie ein Donner erzittern ließ. Sie versuchte, sich noch kleiner zu machen, spürte, wie ihr Herz hämmerte. Ihre Rippen schmerzten, so dass sie hastig und sehr flach atmen musste. Dann hörte sie eine Stimme. Nicht die Stimme. Nicht die Stimme, die sie ebenso sehr fürchtete wie den Schmerz. Die Stimme, die den Schmerz bedeutete. Und ihr Name wurde gerufen. So weit weg, doch so ähnlich, sie war sicher, dass es ihr Name war. Irgendwo in der Tiefe der erstickten Gefühle löste sich eine Hoffnungsblase und stieg an die Oberfläche.
    Sie versuchte, sich daran zu klammern, mit ihr aufzusteigen. Sie versuchte zu antworten, sich der Stimme erkennen zu geben. Ihre einzige Angst war jetzt, dass sie wieder verschwinden und sie hier einfach zurücklassen würde. Doch sie bekam keinen Laut heraus. Sie versuchte es noch einmal und würgte dann, weil sie zu spät merkte, dass sie etwas im Mund hatte, das sie nicht nur vom Schreien abhielt, sondern ihr auch den Atem nahm. Dann erinnerte sie sich wieder an ihre Arme und Beine, die sie vollkommen vergessen hatte, und stellte fest, dass sie sich bewegen ließen. Und durch eine Woge des Schmerzes zwang sie sich, sich auf den Rücken zu rollen, und dort, über ihr an der Wand, sah sie ein Fenster, auf das gelbes Licht fiel. Es war so nah, dass sie es beinahe berühren konnte.
    Wieder hörte sie ihren Namen, so laut und klar, dass sie antworten musste, obwohl sie wusste, dass das nicht ging und der Schrei am Knebel in ihrem Mund abprallen würde. Aber sie wusste auch, dass es zu spät war, dass sie an ihren eigenen Schreien erstickte. Dass sie husten, kotzen und würgen und hier in diesem Loch wie eine Ratte
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