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Der Preis des Verrats (German Edition)

Der Preis des Verrats (German Edition)

Titel: Der Preis des Verrats (German Edition)
Autoren: Leslie Tentler
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Quantico als Klassenbester beendet hatte und anfing, beim FBI zu arbeiten, hatte sich sein Leben einmal nicht um kriminelle Gewalt gedreht. Stattdessen hatte er mit mehr persönlichen Problemen fertigwerden müssen, war mit der sehr realen Möglichkeit, zu sterben oder zumindest berufsunfähig zu werden, konfrontiert gewesen. Reid empfand es wie die Ironie des Schicksals, dass es, bei all den Gefahren, die sein Job mit sich brachte, kein mörderischer Verrückter, sondern sein rebellierender Körper gewesen war, der ihn beinahe umgebracht hätte.
    Ohne Vorwarnung kam ihm die Frau aus der verlassenen Fabrik in den Sinn – Cahills letztes Opfer –, ihr Bild blitzte gestochen scharf vor seinem inneren Auge auf. Er sah ihren entsetzten Blick und das funkelnde Messer, das Cahill an ihre Kehle hielt. Dann den hellen Blutstrahl, die biedere weiße Bluse, die sich rot färbte, und ihren Körper, wie er zitterte, als die Frau unter ReidsHänden verblutete. Seine Kugel war eine halbe Sekunde zu spät gekommen, sein Zögern hatte Julianne Hunter das Leben gekostet. Sie war die Frau eines aufstrebenden Staatsanwalts am Bundesgericht gewesen und hatte zwei kleine Kinder, die nun ohne Mutter aufwachsen mussten. Sein Versagen, seine Unfähigkeit, ihren Tod zu verhindern, hatten ihn zutiefst getroffen.
    Er strich mit der Hand über den Lederbezug des Sofas, während er die brutalen Erinnerungen abschüttelte. Nur sich selbst gegenüber gestand Reid ein, dass ihm die Krankheit auch einen kleinen Vorteil gebracht hatte. Die Auszeit hatte ihm Distanz von seiner Arbeit geschenkt – von den Gesichtern der Opfer, die ihn bis heute verfolgten, den entsetzlichen Grausamkeiten, die er miterlebt hatte, seinen Selbstvorwürfen, weil er den Wahnsinn nicht eher hatte aufhalten können.
    Manchmal war er sich nicht ganz sicher, ob er zurückkehren wollte.
    Die Mietwohnungen in der erst vor Kurzem stadtplanerisch aufgewerteten Gegend von Columbia Heights wurden langsam, aber sicher in Eigentum umgewandelt. Das Viertel lag nur wenige Meilen vom White House entfernt und genoss wegen der Gangkriminalität und der vielen Drogendelikte einen eher schlechten Ruf. Doch auch hier machte sich langsam die Gentrifizierung bemerkbar, wie vereinzelte teure Coffeeshops und Restaurants bewiesen.
    Reid parkte seinen Ford Explorer neben dem Halbkreis aus Streifenwagen, der das Ende der Straße abriegelte. Genau wie Radfahren, dachte er und seufzte leicht, während er die Tür öffnete und aus dem Geländewagen kletterte. Er zog seine Dienstmarke aus seiner Lederjacke und hielt sie den Polizisten hin, die sich vor dem letzten Haus in der Straßenreihe versammelt hatten. Dann tauchte er unter dem kreuz und quer gespannten Absperrband hindurch, stieg die kleine Treppe hinauf, die zum Eingang führte, und betrat das Gebäude.
    Im Inneren des Hauses fiel sein Blick zuerst auf die ramponiertenHolzdielen und auf die Gang Tags, die auf die schmutzigen Wände gesprüht worden waren. Eine wacklige Treppe, bei der ein paar Teile vom Geländer fehlten, wand sich hinauf zum ersten Stock. Mitten in der Eingangstür stand ein stämmiger Cop Wache. Der Mann hatte silbernes Haar und schaute wie ein Wachhund um sich.
    „Was sagt man dazu, ein FBI-ler in Jeans“, sinnierte er, während er Reids Dienstmarke musterte. „Ich dachte, ihr Jungs hättet eure Kleidervorschriften.“
    „Tut mir leid, dass ich Sie enttäusche.“
    Der Mann zuckte mit den Schultern. „Dieser Mord hier kriegt ’ne Menge Aufmerksamkeit vom FBI. Zwei von eurer Sorte sind schon hinten im Haus.“
    „Waren Sie der Erste am Tatort?“
    Der Cop knurrte zur Bestätigung. „Heute früh kamen die Tischler her, um mit dem Ausbau anzufangen – dies ist das einzige Gebäude, das noch nicht verkauft wurde. Sie haben die Leiche gefunden und die Polizei gerufen.“
    „Haben Sie ihre Aussagen aufgenommen?“
    „Hab’s versucht. Ebenso die Detectives vom ersten Bezirk. Die Arbeiter sind Hispanos – große Überraschung – ’spreche keine Englisch?“, sagte er und äffte den Akzent nach. „Sie sind immer noch in der Küche, wenn Sie es mal probieren wollen.“
    Er musterte Reid von Kopf bis Fuß und schaute dabei skeptisch drein. Dann hob er die buschigen Augenbrauen ein wenig. „Sie haben damals vor ein paar Jahren die Ermittlungen in diesem Serienmörder-Fall geleitet, stimmt’s? Der Capital Killer? Der Senator-Sohn, der zu Ted Bundy wurde? Ich habe Sie im Fernsehen gesehen.“
    Reid antwortete nicht,
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