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Der Preis des Verrats (German Edition)

Der Preis des Verrats (German Edition)

Titel: Der Preis des Verrats (German Edition)
Autoren: Leslie Tentler
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Verbitterung, auch wenn das irrational war.
    „Ich weiß, was Sie Ihre Rolle in den Ermittlungen gekostet hat, Caitlyn“, sagte er. „Und ganz gleich, was Joshua getan hat, ich verstehe das, er ist immer noch Ihr Bruder.“
    „Er ist ein Mörder“, flüsterte sie. Ihr Gesicht fühlte sich heiß an. „Was er getan hat …“
    „War nicht Ihre Schuld.“ Reid streckte die Hand über den Schreibtisch und legte sie über ihre Finger, eine unerwartete, tröstende Geste. Caitlyn sah ihn nicht an, aus Angst, ein Blick von ihr würde die Einsamkeit und den Schmerz verraten, den sie seit der Auflösung ihrer Familie empfand. Reid war ein Spezialist für Verhaltenspsychologie mit Universitätsabschluss – bestimmt konnte er solche Dinge spüren. Als er seine Hand nach einem kurzen Augenblick zurückzog, seufzte sie und wiederholte die Frage, die sie ihm schon einmal gestellt hatte.
    „Warum sind Sie hier?“
    „Ich war heute Morgen am Tatort eines Mordes. Ein weibliches Opfer. Der Modus Operandi ähnelte dem Joshuas.“ Kurz entstand eine angespannte Stille zwischen ihnen. „Wir halten es für möglich, dass es einen Nachahmungstäter gibt.“
    In Caitlyns Magengrube saß plötzlich etwas, das sich anfühlte wie ein kalter Stein. „Sie glauben, jemand kopiert Joshua? Warum?“
    „Es gibt da mehrere Theorien.“ Reid legte auf dem Schreibtisch die Fingerspitzen aneinander, während er sprach. „Man nimmt an, dass Nachahmungstäter dieselben Impulse haben wie normale Killer, aber es mangelt ihnen an der Originalität, ihren eigenen Weg zu gehen, also ahmen sie den Stil von jemandem nach, den sie bewundern. Vielleicht ist es für sie auch ein Ritual, durch das sie sich mit dem ursprünglichen Killer verbinden.“
    „Sie sagten normale Killer. Ich halte das für einen Widerspruch in sich.“
    Er nickte leicht. „Das ist wahr.“
    „Inwiefern ähnelte der Mord den …“ Caitlyns Stimme verstummte, aber sie zwang sich, den Satz zu beenden. „Denen, die Joshua begangen hat?“
    „Die äußere Beschreibung des Opfers entspricht den Frauen, die sich Joshua ausgesucht hat – Mitte zwanzig bis Mitte dreißig, blond, attraktiv. Es gibt auch bei den Verletzungen an der Leiche ein ähnliches Muster. Todesursache …“ Plötzlich merkteer offenbar, wie er in den Jargon eines Ermittlers verfiel, und formulierte neu. „Die Frau wurde offenbar erwürgt.“
    „Was ist mit den Zigarettenverbrennungen?“
    „Auch die waren vorhanden.“
    Caitlyn schluckte und dachte an die Tatortdetails, die während Joshuas Prozess ans Licht gekommen waren. „Aber diese Dinge könnten rein zufällig sein, oder? Das reicht doch nicht, um sich sicher zu sein.“
    „Da ist noch etwas. Eine Schachfigur, ein Bauer, wurde in den Mund der Leiche gesteckt.“
    Sie fröstelte. Joshuas Meisterschaft in diesem Spiel war in den Presseberichten rund um seine Festnahme und den Prozess ausführlich besprochen worden, denn sie zeigte seinen überragenden Intellekt und stand für die Privilegien und die kultivierte Lebensart, in der er aufgewachsen war. Ein Journalist hatte das Spiel sogar als Metapher gebraucht, um Senator Cahills Strategie zu beschreiben, mit der er die FBI-Ermittlungen gegen seinen Sohn behindert hatte. Ihr Vater war drauf und dran gewesen, dieses Spiel zu gewinnen, bis Reid Novak an Caitlyn herantrat, sie davon überzeugte, dass Joshua für die Morde verantwortlich war, und sie um ihre Hilfe bat.
    Caitlyn verschränkte die Arme über dem weißen Rollkragenpullover, stand auf und ging das kurze Stück durch das Büro zum Fenster. Sie sah auf den Reitplatz hinaus. Sarah, die neue Therapeutin, lief über den Platz und führte einen braunen Wallach am Zügel. Im Sattel saß ein Junge von ungefähr zehn Jahren. Auf seinem Gesicht, das wie sein Körper die typischen Merkmale des Down-Syndroms trug, zeichnete sich pure Begeisterung ab. Über den beiden leuchtete der Himmel in hellem Blau, nur ein paar zarte Wolken waren zu sehen.
    Caitlyn spürte Reids Anwesenheit hinter ihr. Sie drehte sich langsam um und legte den Kopf in den Nacken, sodass sie ihm ins Gesicht schauen konnte. Sie hatte recht gehabt. Er war viel magerer als früher, sein dunkles Haar war kürzer und ließ die markanten, klaren Gesichtszüge noch deutlicher hervortreten.
    „Ich wollte, dass Sie das alles erfahren. Wenn es weitere Morde gibt, könnten die Medien wieder Interesse an Ihrem Bruder bekommen.“
    Sie spürte einen Kloß im Hals. „Sie denken also, es könnte
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