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Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Titel: Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
Autoren: Joseph Stiglitz
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schon länger bestehen. Doch diese Gruppen sind nicht nur die Prügelknaben der öffentlichen Meinung geworden. Sie verkörpern vielmehr all das, was schiefläuft. Ein Großteil der Ungleichheit zwischen »oben und unten« ist mit dem Verhalten von Topmanagern in der Finanzbranche und in anderen Großunternehmen verbunden. Aber es geht um mehr: Diese Führungskräfte haben unsere Ansichten über eine gute Wirtschaftspolitik maßgeblich geprägt, und nur und erst dann, wenn wir verstehen, was an diesen Ansichten falsch ist – und dass sie in einem allzu großen Ausmaß ihre Interessen befördern, und zwar auf Kosten der Allgemeinheit –, können wir eine neue Politik formulieren, mit dem Ziel, eine gerechtere, effizientere und dynamischere Wirtschaft zu schaffen.
    In einem populärwissenschaftlichen Buch wie diesem sind Verallgemeinerungen, wie sie in einem streng wissenschaftlichen Werk, das gespickt wäre mit Einschränkungen und Fußnoten, nicht angebracht wären, unvermeidlich. Dafür möchte ich im Vorhinein um Verzeihung bitten und verweise den Leser auf einige der Fachpublikationen, die ich in den Anmerkungen anführe. Und ich sollte auch betonen, dass ich stark vereinfache, wenn ich »die Banker« geißele: Sehr viele Bankiers, die ich kenne, würden meinen Ausführungen in weiten Teilen zustimmen. Einige kämpften gegen die missbräuchlichen Praktiken und die unethische  – ausbeuterische – Kreditvergabe. Einige wollten die übermäßige Risikobereitschaft der Banken zügeln. Einige waren der Meinung, die Banken sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Etliche Banken taten dies auch. Aber die wichtigsten Entscheidungsträger haben dies
ganz offensichtlich nicht getan: Sowohl vor der Krise als auch danach verhielten sich die größten und einflussreichsten Finanzinstitute in einer Weise, die man zu Recht kritisieren kann, und jemand muss die Verantwortung dafür übernehmen. Wenn ich »die Banker« tadele, dann meine ich diejenigen , die den Entschluss fassten, sich bewusst betrügerischer und unethischer Praktiken zu bedienen, und die innerhalb der Institute eine Kultur schufen, die dies erleichterte.

Zum Schluss
    In den Jahren vor Ausbruch der Krise betrachteten viele Europäer Amerika als ein Vorbild und fragten, wie sie ihre Wirtschaft reformieren könnten, um sie genauso leistungsfähig zu machen wie die US-amerikanische. Auch Europa hat seine Probleme, die vor allem daher rühren, dass sich Länder zu einer Währungsunion zusammenschlossen, ohne die politischen und institutionellen Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig gewesen wären, um die Funktionsfähigkeit dieser Währung sicherzustellen. Für dieses Versagen werden sie einen hohen Preis zahlen. Aber abgesehen davon, wissen sie (und die Menschen überall auf der Welt) jetzt, dass das Pro-Kopf-Einkommen noch nicht darüber Aufschluss gibt, wie es den meisten Bürgern einer Gesellschaft geht und wie gut daher die Wirtschaft in einem grundlegenden Sinne funktioniert. Die Daten über das Pro-Kopf-Einkommen hatten sie zu der irrigen Annahme veranlasst, die wirtschaftliche Situation der Amerikaner entwickle sich gut. Heute glauben sie das nicht mehr. Ökonomen, die hinter die Fassade blickten, wussten schon 2008, dass das mit Schulden finanzierte Wachstum nicht nachhaltig war; und selbst als alles gut zu laufen schien, ging das Einkommen der meisten Amerikaner zurück, obgleich die unverhältnismäßig hohen Vermögenszuwächse der Reichen das Gesamtbild verzerrten.
    Der Erfolg einer Volkswirtschaft lässt sich nur dann angemessen beurteilen, wenn man verfolgt, wie sich der Lebensstandard – im weitesten Sinne – der meisten Bürger über einen längeren Zeitraum entwickelt. So gesehen lässt die Leistung der US-Wirtschaft seit mindestens dreißig Jahren zu wünschen übrig. Zwar ist das Pro-Kopf-Einkommen zwischen 1980 und 2010 um 75 Prozent gestiegen, 100 das Einkommen der meisten männlichen Vollzeitbeschäftigten im gleichen Zeitraum aber gesunken. Diesen Arbeitnehmern verschaffte die US-Wirtschaft nicht die Steigerung des Lebensstandards, die sie sich erwarteten. Es ist nicht so, dass die amerikanische Wirtschaftslokomotive ins Stocken geraten wäre. Vielmehr wurde diese Lokomotive in einer Weise gesteuert, dass die Wachstumsgewinne in zunehmendem Maß einem kleinen Teil an der Spitze zugutekamen, der sich sogar etwas von dem aneignete, was früher den sozial schwachen Haushalten zufiel.
    In diesem Kapitel ging es um
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