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Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Titel: Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
Autoren: Joseph Stiglitz
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vorgeworfen, keinen Plan zu haben, aber diese Kritik geht an dem Kern dessen, worum es bei Protestbewegungen geht, vorbei. Sie sind ein Ausdruck der Frustration, sei es mit dem politischen System, sei es – sofern es sich um Länder handelt, in denen gewählt wird – mit der Art und Weise, wie Wahlergebnisse zustande kommen. Sie schlagen Alarm.
    In mancherlei Hinsicht haben die Demonstranten schon eine Menge erreicht: Experten, Behörden und Medien haben ihre Behauptungen bestätigt, dass das Marktsystem versagt habe und das hohe Niveau der Ungleichheit nicht zu rechtfertigen sei. Der Slogan »Wir sind die 99 Prozent« ist ins allgemeine Bewusstsein eingedrungen. Niemand kann sicher sein, wohin die Bewegungen führen werden. Doch eines wissen wir: Den öffentlichen Diskurs und das Denken von einfachen Bürgern wie auch Politikern haben diese jungen Demonstranten bereits verändert.

Zum Schluss
    In den Wochen nach Ausbruch der Proteste in Tunesien und Ägypten schrieb ich (in einer ersten Fassung meines Vanity Fair -Artikels):
    Wenn wir die Leidenschaft der Massen auf den Straßen bestaunen, sollten wir uns selber fragen: Wann schwappt sie nach Amerika über? In wichtigen Punkten gleicht unser eigenes Land einem dieser weit entfernten Länder, in denen Aufruhr herrscht. Insbesondere insoweit, als ein kleiner Teil der Menschen an der Spitze – das reichste eine Prozent der Bevölkerung  – fast alles im Würgegriff seiner Interessen hält.
    Nur wenige Monate später flammten in den Vereinigten Staaten die ersten Proteste auf.
    In diesem Buch versuche ich einen Aspekt dessen, was in den Vereinigten Staaten geschehen ist, auszuloten – wie wir zu einer Gesellschaft wurden, die sich durch ein hohes Maß an Ungleichheit und einen Rückgang der Chancen auf soziale Teilhabe auszeichnet, und welche Folgen dies wahrscheinlich haben wird.
    Das Bild, das ich heute male, ist düster: Wir beginnen gerade erst zu ermessen, wie weit sich unser Land von unseren Zielen entfernt hat. Doch da ist auch eine hoffnungsvolle Botschaft. Es gibt alternative Ordnungsrahmen, mit deren Hilfe die Wirtschaft als Ganzes und, was am wichtigsten ist, die große Mehrzahl der Bürger bessere Ergebnisse erzielen können. Dabei geht es unter anderem um ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Märkten und Staat, und für ein solches sprechen sowohl die moderne Wirtschaftstheorie als auch historische Befunde. 14 Bei diesen alternativen Ordnungsrahmen zählt es auch zu den Aufgaben des Staates, Einkommen umzuverteilen, insbesondere wenn Marktprozesse zu grundverschiedenen Ergebnissen führen.
    Umverteilungskritiker behaupten manchmal, die damit verbundenen Kosten wären zu hoch. Die negativen Anreize seien zu groß, und die Gewinne für die Armen und die Mittelschicht würden durch die Verluste an der Spitze mehr als wettgemacht. Die politische Rechte räumt zwar ein, dass wir so die Verhältnisse besser ausgleichen könnten, warnt aber, wir würden dafür einen hohen Preis bezahlen müssen: gedrosseltes Wachstum und Einbußen bei dem BIP, dem Bruttoinlandsprodukt. In Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt (wie ich zeigen werde): Wir haben ein System, das Überstunden gemacht hat, um Geld von unten und von der Mitte nach oben zu verteilen, aber das System ist so ineffizient, dass die Gewinne an der Spitze viel geringer ausfallen als die Verluste für die Mittel- und die Unterschicht. Tatsächlich zahlen wir für unsere wachsende und übergroße Ungleichheit einen hohen Preis: Neben Defiziten in puncto Wachstum und BIP haben wir es mit wachsender Instabilität, einer Schwächung der Demokratie, dem Gefühl, dass Fairness und Gerechtigkeit keine große Rolle mehr spielen, und sogar der Infragestellung unserer nationalen Identität zu tun.

Eine Warnung
    Lassen Sie mich einleitend noch auf einige andere Punkte hinweisen. Ich verwende den Ausdruck »ein Prozent« oftmals recht frei, um die ökonomische und politische Macht der Menschen an der Spitze der Vermögenspyramide zu beschreiben. In einigen Fällen meine ich damit eine viel kleinere Gruppe – das oberste Zehntel des einen Prozents; in anderen Fällen, etwa wenn es um den Zugang zu elitären Bildungseinrichtungen geht, ist die Gruppe etwas größer und umfasst vielleicht die oberen fünf oder zehn Prozent.
    Einige Leser mögen den Eindruck gewinnen, dass ich zu viel über Banker und Vorstandschefs spreche, vor allem da die Probleme der Ungleichheit in den USA (wie ich zeigen werde)
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