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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka
Autoren: Camilla Läckberg
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zusammengestellt, die bei polizeilichen Ermittlungen eine Rolle gespielt hatten. Patrik fühlte, daß er genau das gefunden hatte, wonach er suchte. Seine Finger waren von all dem Staub schmutzig geworden, und er wischte sie an den Shorts ab, bevor er die ziemlich dünne Mappe öffnete. Nachdem er ein Weilchen geblättert und hier und da gelesen hatte, wußte er, daß sein Gedächtnis genau den Anstoß bekommen hatte, den es brauchte. Das hier hätte ihm sofort einfallen müssen, wenn man bedenkt, wie wenige Menschen hier im Umkreis wirklich verschwunden waren, ohne jemals wiedergefunden zu werden, aber es war wohl das Alter, das sich allmählich bemerkbar machte. Jetzt hatte er jedenfalls diese Anzeigen vor sich, und er spürte, daß das hier kein Zufall sein konnte. Zwei Frauen, die 1979 als vermißt gemeldet und nie aufgefunden worden waren. Zwei Skelette, die man in der Königsschlucht entdeckt hatte.
    Er nahm den ganzen Ordner mit ans Tageslicht und legte ihn auf seinen Schreibtisch.
    Die Pferde waren der einzige Grund, weshalb sie hierblieb. Mit geübter Hand striegelte sie den braunen Wallach. Die körperliche Arbeit diente ihr als Ventil, um die Frustration loszuwerden. Es war ganz einfach Scheiße, wenn man siebzehn Jahre alt war und nicht selbst über sein Leben bestimmen konnte. Sobald sie volljährig war, würde sie aus diesem verdammten Nest abhauen. Dann würde sie das Angebot jenes Fotografen annehmen, der sie angesprochen hatte, als sie in Göteborg durchs Zentrum gebummelt war. Wenn sie erst Model in Paris wäre und jede Menge Geld verdiente, würde sie ihnen schon zu verstehen geben, wo sie sich ihre verdammte Ausbildung hinstecken konnten. Der Fotograf hatte gesagt, mit jedem weiteren Jahr sinke ihr Wert als Model, und ein Jahr ihres Lebens wäre ohnehin schon vergeudet, bevor sie überhaupt die Chance bekäme, bloß weil der Alte sich diese Ausbildung in den Kopf gesetzt hatte. Man brauchte ja wohl keine Ausbildung, um über den Laufsteg zu gehen, und dann, wenn sie so fünfundzwanzig geworden und für diese Sache langsam zu alt war, würde sie bestimmt einen Millionär heiraten, und dann konnte sie über die Drohung nur lachen, daß er sie enterben wollte. Sie könnte dann an einem einzigen Tag genausoviel für Einkäufe ausgeben, wie sein ganzes Vermögen ausmachte.
    Und ihr großartiger blöder Bruder machte die Sache ja nicht gerade besser. Zwar war es angenehmer, bei ihm und Marita zu wohnen, als zu Hause, aber nicht wesentlich. Er war so verdammt »rechtschaffen«. Nichts, was er tat, war jemals falsch, während sie automatisch an allem die Schuld bekam.
    »Linda?«
    Typisch, nicht mal hier im Stall hatte sie ihre Ruhe.
    »Linda?« Die Stimme klang immer fordernder. Er wußte, daß sie hier war, also hatte es keinen Sinn abzuhauen.
    »Ja, was für ein verdammtes Gerufe. Was ist los?«
    »Du brauchst wirklich nicht in einem solchen Ton mit mir zu reden. Ich finde, es ist nicht zuviel verlangt, wenn ich erwarte, daß du ein bißchen höflich bist.«
    Sie brummelte nur ein paar Flüche zur Antwort, und Jacob ließ es durchgehen.
    »Du bist schließlich mein Bruder und nicht mein Vater, ist dir das klar?«
    »Ich bin mir dessen sehr wohl bewußt, aber solange du unter meinem Dach wohnst, habe ich schließlich eine gewisse Verantwortung für dich.«
    Nur weil er fast fünfzehn Jahre älter war, glaubte Jacob, er wüßte alles, aber es war leicht, auf dem hohen Roß zu sitzen, wenn man sein Schäfchen im trocknen hatte. Vater hatte Hunderte Male betont, daß Jacob wirklich ein Sohn sei, auf den man stolz sein könne, und daß er den Familienhof gut verwalte, also nahm Linda an, daß er eines schönen Tages den ganzen Kladderadatsch erbte. Bis dahin konnte er so tun, als sei Geld nicht wichtig für ihn, aber Linda durchschaute die Sache. Alle bewunderten Jacob, weil er mit Jugendlichen arbeitete, die auf Abwege geraten waren, aber alle wußten auch, daß er, wenn es soweit war, sowohl den Gutshof als auch das ganze Vermögen bekäme, und dann würde man ja sehen, wieviel von seinem Interesse an ideeller Arbeit übrigbliebe.
    Sie kicherte leise. Wenn Jacob wüßte, daß sie abends nach draußen entwischte, würde er verrückt werden, und wenn er wüßte, wen sie traf, müßte sie vermutlich die Standpauke ihres Lebens über sich ergehen lassen. Es war leicht, davon zu reden, daß man mit weniger Begüterten solidarisch sein solle, solange man sie nicht vor der eigenen Schwelle hatte. Daß Jacob an
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