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Der Polizistenmörder

Der Polizistenmörder

Titel: Der Polizistenmörder
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Appetit vergangen. Er dankte höflich und fragte dann: »Ist es weit bis zum Strand?«
    Die Frage schien den anderen nicht zu wundern, vielleicht wunderte sich Nöjd niemals.
    »Nein. Weit nicht.«
    »Wie lange dauert es, da hinzufahren?«
    »Eine Viertelstunde, höchstens.«
    »Hast du was dagegen, wenn wir das jetzt noch tun?«
    »Absolut nicht.«
    Nöjd bog in eine Straße ein, die die Hauptdurchgangsstraße zu sein schien.
    »Die ist die größte Sehenswürdigkeit des Ortes«, erklärte er, »die Landstraße mit großem L. Die alte Hauptstraße zwischen Malmö und Ystad. Wenn wir nach links abbiegen, befindest du dich südlich von der Landstraße. Dann bist du wirklich in Skäne.«
    Die Nebenstraße war kurvenreich, aber Nöjd fuhr mit der gleichen selbstverständlichen Sicherheit. Sie kamen an Bauernhöfen und weißen Kirchen vorbei.
    Nach zehn Minuten begannen sie die See zu riechen. Bald danach hatten sie den Strand erreicht.
    »Soll ich anhalten?«
    »Ja. Bitte.«
    »Wenn du Wassertreten machen willst, hab ich ein Paar Gummistiefel für dich im Kofferraum«, bot Nöjd lächelnd an.
    »Danke. Gern.«
    Martin Beck zog die Stiefel an. Sie waren ein wenig zu eng, aber er hatte ja nicht vor, einen längeren Ausflug zu machen.
    »Wo befinden wir uns jetzt genau?«
    »In Böste. Die Lichter rechts gehören zu Trelleborg. Das Leuchtfeuer dort linker Hand ist Smygehuk. Weiter als bis dorthin kannst du nicht kommen.«
    Smygehuk ist der südlichste Punkt des Landes.
    Nach den Lichtern zu urteilen und dem Widerschein am Himmel, hätte Trelleborg eine große Stadt sein müssen. Ein großes, hellerleuchtetes Passagierschiff nahm Kurs auf den Hafen, vermutlich die Eisenbahnfähre aus Saßnitz in der DDR.
    Die Wellen der Ostsee klatschten träge an den Strand. Das Wasser versickerte leise zischend in dem feinkörnigen Sand.
    Martin Beck ging über den Streifen aus weichem, feuchtem Tang und machte ein paar Schritte vorwärts ins Wasser. Um die Stiefelschäfte wurde es angenehm kühl.
    Er beugte sich vornüber, tauchte die Hände ein, nahm eine Handvoll Wasser, ließ es übers Gesicht laufen und sog das kalte Wasser in die Nase. Es war brackig, aber salzig-frisch.
    Die Luft war feucht, es roch nach Tang, Fischen und nach Teer. Einige Meter weiter bemerkte er aufgehängte Fischernetze und die Konturen eines Fischerbootes.
    Wie sagte Kollberg doch immer? Das beste an der Reichsmordkommission ist, daß man hin und wieder hinaus in die kleinen Städte und auf die Dörfer kommt.
    Martin Beck hob den Kopf und horchte. Aber er konnte nichts anderes als das Rauschen des Meeres wahrnehmen.
    Nach einer kleinen Weile kehrte er zum Auto zurück. Nöjd stand gegen den Kotflügel gelehnt da und rauchte. Martin Beck nickte.
    Morgen würde er sich den Fall vornehmen.
    Er versprach sich nichts Außergewöhnliches davon. Häufig war alles nur Routine und langweilige Wiederholung, meistens tragisch und deprimierend.
    Ein leichter, kühler Wind wehte von der See her.
    Ein Frachtschiff zog am dunklen Horizont seine Bahn. Nach Westen. Er sah die grüne Steuerbordlaterne und einige Lichter mittschiffs.
    Er wäre gern dort an Bord gewesen.
    In dem Augenblick, da er die Augen aufschlug, war Martin Beck hellwach. Das Zimmer war sehr einfach, aber gemütlich eingerichtet, es hatte zwei Betten und ein Fenster nach Norden. Die Betten standen mit einem Meter Zwischenraum nebeneinander. Auf dem einen lag sein Koffer und auf dem anderen er selber, auf dem Fußboden ein Buch, in dem er eine halbe Seite und zwei Bildunterschriften gelesen hatte, bevor er eingeschlafen war. Es war ein vornehm ausgestattetes Buch aus der Serie Famous Liners of the Fast mit dem Titel ›The French Line Quadruple-Screw Turbo-Electric Liner Normandie‹.
    Er blickte auf die Uhr. Halb acht. Von draußen hörte er vereinzelte Geräusche, Automotoren und Stimmen. Irgendwo im Haus rauschte eine Toilette. Etwas war anders als sonst, und gleich fiel ihm ein, was das war: er hatte im Schlafanzug geschlafen, das tat er neuerdings nur, wenn er unterwegs war.
    Martin Beck stand auf, ging ans Fenster und sah hinaus. Das Wetter schien gut zu sein, der Rasen im Park hinter dem Gasthaus lag im Sonnenschein.
    Er machte sich schnell fertig, zog sich an und ging die Treppe hinunter. Überlegte einen Moment, ob er frühstücken solle, ließ es dann aber bleiben. Er hatte nie großen Wert darauf gelegt, morgens etwas zu essen, vor allem nicht als Kind. Damals hatte seine Mutter ihm Kakao und drei
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