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Der Parasit: Kurzgeschichte

Der Parasit: Kurzgeschichte

Titel: Der Parasit: Kurzgeschichte
Autoren: Karin Slaughter
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nicht mehr der charmante Pseudo-Travolta aus dem Pink Pony.
    Die Frau schluckte. »Willst du meinen Namen nicht wissen?«
    Kirk holte Luft, wollte ihr sagen, dass ihr Name ihm scheißegal sei, aber ich war schneller. »Ich bin Wayne. Das ist mein Bruder Kirk.« Nervös suchte ich nach Worten. »Okay, dass wir Brüder sind, hast du dir sicher schon gedacht.«
    Ihr Blick flatterte zwischen uns beiden hin und her, die Pupillen groß wie Untertassen. Sie war entweder bis unter die Schädeldecke zugedröhnt oder hatte vor kurzem einen Hirnschlag erlitten. Vielleicht auch beides. Im hellen Schein der Xenonleuchten des Parkplatzes sah ich, dass sie längst nicht so jung und attraktiv war, wie das Licht in der Disco sie hatte erscheinen lassen. Das aufreizende schwarze Kleid wirkte abgetragen und saß nicht richtig. Der helle Streifen in ihrem dunklen Haar erinnerte an das Comicstinktier Pepé Le Pew. Sie war mit dem Nachfärben der Ansätze ein paar Wochen im Verzug. Ihre dünnen Arme sahen aus wie Stöcke. Verkrustete Stöcke. Ich warf Kirk einen Blick zu. Offensichtlich hatte sie irgendwann an der Nadel gehangen. Aber es war natürlich schwer, eine Frau zu finden, die nicht drogenabhängig und bereit war, vor einem abgehalfterten Club in den Wagen eines Fremden zu steigen.
    »Los jetzt.« Kirk stieg in den Van. Als ich ihm folgte, stieß ich mir beinahe den Kopf am Wagendach. Er hatte es eilig, wollte die Sache schnell hinter sich bringen. Mit einem Ruck am Hebel drehte er den Fahrersitz der Frau zu, die einfach nur da stand und sich nervös die Arme rieb. Kirk zückte seine Geldbörse und nahm zwei Zwanzigerund einen Fünfer heraus. »Machen wir es jetzt oder nicht?«
    Sie warf einen Blick in den Van, als fürchtete sie, dass dort Plastikfolie und Klebeband bereitlagen.
    Schließlich sah sie mich an. »Wenn er zuschaut, kostet es extra.«
    »Er schaut nicht zu.« Kirk warf mir einen Seitenblick zu. »Verzieh dich, Kleiner.«
    Ich nahm den Kopfhörer aus der Konsole und stöpselte ihn in die Multimediaanlage ein. Kirk wedelte mit dem Geld. Er machte sich nicht mal die Mühe, die Scheine aufzufächern. Sie waren in seiner Tasche schlaff und feucht geworden und hingen über seinen Handrücken wie die Zunge eines Labradors.
    »Komm schon, Süße«, sagte er. »Willst du das Geld jetzt oder nicht?«
    Sie sah zwischen uns beiden hin und her, überlegte, ob sie das Risiko eingehen sollte. Die Verlockung des Geldes war schließlich stärker als der gesunde Menschenverstand. Das Mädchen stieg in den Van. In der offenen Tür starrte sie uns beide an. »Was für eine abgedrehte Kacke.«
    »Lass uns einfach anfangen.« Kirk wartete, bis sie einen Schritt in den Wagen gemacht hatte, dann schloss er mit der Fernbedienung die Tür.
    Die Innenlichter wurden zu einem warmen Licht gedimmt. Für die Ambientebeleuchtung hatten wir extra bezahlt. Ich hatte geglaubt, sie solle für Atmosphäre sorgen, aber Kirk hatte sie gewollt, damit die Frauen, die er auflas, weniger mitleiderregend und grotesk wirkten. Die hier war wenigstens dünn. Bei den üppigen Mädchen wurde es zu dritt ziemlich eng und gefährlich. Vor drei Wochen hatte ich mir fast eine Gehirnerschütterung zugezogen, weil ich mir den Kopf am Wagendach angestoßen hatte.
    Kirk fummelte an seinen Knöpfen. »Regel Nummer eins: Sag nie meinen Namen …«
    »Oh.« Sie blinzelte ein paar Mal. »Den habe ich vergessen.«
    »Ich bin Wayne«, sagte ich, »und das ist …«
    Kirk boxte mich gegen die Schulter. »Halt die Klappe.« Er machtesich wieder an den Knöpfen zu schaffen. »Und bleib auf meiner Seite«, wies er sie an. »Du küsst nur mich. Du siehst nur mich. Und du fasst das Arschloch nicht an.«
    Sie schaute erschrocken. »Herrgott, er ist doch direkt neben dir. Er kann dich immer noch hören.«
    »Nein«, sagte Kirk. »Das war wörtlich gemeint. Du fasst das Arschloch nicht an. Es ist seins.«
    »Seins …?«
    »Das Arschloch, das linke Ei, die linke Brustwarze. Alles auf der linken Seite. Fass es nicht an.«
    »Was ist mit …« Sie schluckte so heftig, als würde eine Anakonda einen Kleinwagen hinunterwürgen. »Du weißt schon. Was ist mit …«
    Ich spürte, wie Kirks Brustkorb sich gereizt hob und senkte. »Es gibt nur einen Schwanz, Süße. Und glaub mir, selbst wenn es einen zweiten gäbe – er würde nie flachgelegt werden.«
    Das Geräusch, das sie ausstieß, klang nach einer Mischung aus Faszination und Erleichterung. »Wie lange seid ihr zwei denn schon
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