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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt
Autoren: Philip Kerr
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getroffen.«
    531

    »Dann sind Sie der unglückliche junge Mann, der dem deutschen Diktator das Leben gerettet hat«, sagte Churchill.
    Selbst im Freien hatte er eine tragende Stimme und einen kleinen Sprachfehler, der in natura mehr auffiel als im Radio. Es klang, als hätte der Premierminister früher ein kleines Gaumenproblem gehabt.
    »Und dessen anschließendes Tun die Verhandlungen mit Hitler und seiner grässlichen Bande zum Platzen gebracht hat.«
    »Ja, Sir.«
    »Mr. Mayer, ich wage die Vermutung, dass Sie das Scheitern dieser Friedensgespräche für etwas Beklagenswertes halten, so wie es Mr. Stalin zweifellos tut und gewiss auch Ihr eigener Präsident. Ich hege große Bewunderung und Sympathie für Mr. Roosevelt, ja, für alle Amerikaner. Sie müssen wissen, ich bin selbst Halbamerikaner. Aber ich sage Ihnen ehrlich, Sir, diese Politik war falsch konzipiert. Hitler ist ein Leviathan an Bosheit, ein blutrünstiger Gassenstrolch, wie es in der gesamten Geschichte der Tyrannei und des Bösen noch keinen gab, und wir haben nicht vier lange Jahre gekämpft, nur um jetzt, da wir den Sieg vor Augen haben, eine Kehrtwendung zu machen und mit diesen üblen Fanatikern Frieden zu schließen. Also machen Sie sich keine Vorwürfe wegen dieses Fiaskos von heute Vormittag. Keine zivilisierte Regierung hätte jemals zulassen können, dass diplomatische Beziehungen mit diesem Naziregime aufgenommen werden, einem Regime, das die christlichen Werte mit Füßen tritt, das seinen eigenen Vormarsch von einem barbarischen Heidentum bejubeln lässt, das stolz den Geist der Aggression und Eroberung vor sich her trägt, das Kraft und perverses Vergnügen aus der Verfolgung anderer zieht und mit erbarmungsloser Brutalität die Drohung des Massenmords an Unschuldigen einsetzt. Dieses Regime könnte niemals ein verlässlicher Freund der Demokratie sein.
    Einen Frieden mit Hitler zu schließen wäre eine moralische Schande und eine rechtsstaatliche Katastrophe gewesen. In 532

    wenigen Jahren, vielleicht schon in wenigen Monaten, hätten Ihr Land und meines bereut, dass wir diese Schlange nicht zertreten haben, als wir die Gelegenheit hatten. Ich sage Ihnen, Willard Mayer, machen Sie sich keine Vorwürfe. Das einzig Schändliche ist, dass eine so widerwärtige Handlungsweise überhaupt in Betracht gezogen wurde und dass man ähnlich verfahren wollte wie der Mann, der einen tollwütigen Hund streichelte und sagte, der scheine doch ganz freundlich, bis ihn der Hund biss und er krank wurde und starb. Wir wollen Hitlers Frieden so wenig, wie wir Hitlers Krieg wollten, denn nur ein Narr steigt vom Baum herab, um einem verwundeten Tiger in die Augen zu schauen.«
    Churchill ließ sich auf eine Bank unter einem Kirschbaum nieder. Ich setzte mich neben ihn.
    »Das ist erst der Beginn der Abrechnung«, sagte er. »Nur eine Vorahnung des Gerichtes der Welt über Nazideutschland und viele bittere Tage liegen noch vor uns. Unsere besten jungen Männer werden mit großer Wahrscheinlichkeit sterben. Das ist nicht Ihre Schuld und auch nicht die Ihres Präsidenten. Es ist vielmehr die Schuld dieses blutrünstigen österreichischen Schlächters, der uns die dunkle Treppe hinabgeführt hat, in den Abgrund eines europäischen Krieges. Und Sie sollten auch nicht bereuen, dass Sie Herrn Hitler das Leben gerettet haben, denn es wäre eine Schande für uns alle gewesen, wenn wir ihn hierher eingeladen hätten und er in unserer Mitte ermordet worden wäre wie ein römischer Tyrann, denn dann hätten wir genauso niederträchtig und verabscheuenswert dagestanden wie er, der sich quer durch Europa und Russland gemordet hat. Das Schicksal der Menschheit sollte nie durch die Flugbahn einer Mörderkugel entschieden werden.
    Und jetzt muss ich Sie verlassen«, sagte Churchill und erhob sich mit einigen Schwierigkeiten. »Wenn der schwarze Hund wiederkommt und knurrend nach Ihren Fersen schnappt, dann rate ich Ihnen dreierlei. Erstens, ziehen Sie Ihr Hemd aus und 533

    setzen Sie sich in die Sonne, was, wie ich festgestellt habe, eine ausgesprochen stärkende und aufmunternde Wirkung hat.
    Zweitens, fangen Sie an zu malen. Das ist ein Zeitvertreib, der Sie aus sich selbst herausholt, wenn das kein angenehmer Aufenthaltsort ist. Und mein dritter Ratschlag ist, auf eine Party zu gehen und ein bisschen zu viel Champagner zu trinken, was zur Vertreibung der Düsternis nicht weniger wirksam ist als die Sonne. Schließlich ist der Wein das größte Geschenk der Sonne an
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