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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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schon früher beenden.« Mit der zweiten Hand zog Hippolit ein kleines Messer aus der Tasche. »Mir waren jedoch noch nicht alle Aspekte dieses Falles hinreichend klar.« Er knurrte eine einzelne Silbe, und die Klinge in seiner Hand schoss gleißend blau in die Höhe, bis sie groß wie ein Schwert war. »Das ist jetzt vorbei. Es ist aus, kleine Zauberin! Weder dein Wahnsinn noch deine thaumaturgischen Fähigkeiten werden dich davor bewahren, in einer mit Bannsprüchen gesicherten Zelle im Gefängnis von Pottz zu enden!«
    Die letzten Worte seines Freundes konnte Jorge kaum noch verstehen, denn alles um ihn herum schien plötzlich leiser und leiser zu werden. Heftig schüttelte er den Kopf. Mach jetzt bloß nicht schlappt, flehte er seinen Körper an. Überleben heißt schuldig zu sein. Im falschen Augenblick einfach bewusstlos zu werden heißt … es ist … Blaak, es ist scheiße! Er wollte, er musste miterleben, wie Hippolit über ihre Gegnerin triumphierte!
    Aber etwas stimmte nicht.
    Eigentlich hätte sich weiterhin Verwirrung auf Liths Gesicht widerspiegeln sollen, Hass, vielleicht auch Angst – die echte, unverfälschte Angst eines Kindes, das bei etwas Unrechtmäßigem erwischt wird und nun seiner gerechten Strafe ins Auge blicken muss.
    Stattdessen wirkte ihre Miene mit einem Mal völlig friedlich. Ein Lächeln, seliger als alles, was Jorge je gesehen hatte, machte sich auf ihren Zügen breit. Er blinzelte verwirrt, sah, dass sich ihre Lippen erneut zu bewegen begonnen hatten, unmerklich, lautlos.
    Und plötzlich wusste er, was sie vorhatte.
    Die Energien der Ewigen Flamme, von denen sie gesprochen hatte! Hippolit hatte gesagt, bereits die kleinste Unregelmäßigkeit im Gleichgewicht der Kräfte konnte dazu führen, dass …
    Jorge wollte aufspringen, seinem Freund eine Warnung zurufen. Aber er konnte nicht. Sein Körper, nahezu ausgeblutet, der letzten Reserven beraubt, war nichts als ein träger Sack, ein Anhängsel unterhalb seines Schädels, das seinen Befehlen nicht länger gehorchte.
    Tränen schossen ihm in die Augen. Ein hilfloser Troll, das war, verdammt noch mal, ein Unding, bei Batardos!
    Unausgesetzt bewegten sich Liths Lippen. Ihr entrückter Blick war der einer Frau, die nichts mehr zu verlieren hat.
    Jetzt schien auch Hippolit begriffen zu haben, was vor sich ging. Nacktes Entsetzen zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Er sprang vorwärts, das leuchtende Schwert zum Schlag erhoben, während ein Sturzbach hektischer, unverständlicher Silben aus seinem Mund drang.
    Aber er war zu weit entfernt, die Befehlszeile des Gegenspruches, den er gewählt hatte, zu lang. Lith war mit ihrem eigenen bereits zu weit vorangekommen!
    Jorge nahm ein ungesundes Flackern wahr. Die Welt um ihn herum schien mit einem Mal zu zucken – hell, dunkel, hell, dunkel –, und für einen kurzen Moment dachte er, seine müden Augen wollten ihm endgültig den Blick auf die Geschehnisse verwehren. Doch sie waren weit offen.
    Da begriff er, dass das Flackern aus der Tiefe kam, dass es zwischen dem metallenen Gitter des Wandelganges heraufblitzte. Und dass es immer hektischer wurde!
    »Neiiiin!« Eine gellende Stimme. Hippolits? Sie klang so hoch und dünn …
    Die Farbe des unirdischen Glühens tief drunten schlug von schmutzigem Gelb zu einem giftigen Grün um. Das allgegenwärtige Dröhnen wurde lauter, schwoll zu einem betäubenden Rauschen an, wie von einer Brandungswelle, die mit hohem Tempo auf die Küste zurast.
    Und dann, während der letzten beiden Herzschläge seines Lebens, nahm Jorge mehrere Dinge gleichzeitig wahr:
    Ein schrilles weibliches Lachen, das sich schmerzhaft in seine Gehörgänge bohrte.
    Eine titanische, grün leuchtende Faust, die aus der Tiefe emporfuhr, eine Woge unglaublich heißer Luft vor sich herschiebend, die Liths Haar entzündete, ihre Kleidung, ihre Haut, bis das Mädchen lichterloh brannte wie eine thaumaturgische Fackel. Und noch immer lachte sie …
    Ein Zappeln an Jorges Brust.
    »Pompom«, stöhnte er mit seinem letzten Atemzug. »Du lebst noch! Wie schön. Ein altes Trollsprichwort sagt: Gemeinsam sterben heißt, vielleicht doch nicht ganz schuldig zu sein …«
    In diesem Augenblick ging die Welt unter in einer röhrenden, alles verzehrenden grünen Flamme.

Epilog
     
     
    Erbarmungslos brannte die Sonne auf die Terrasse der ehrwürdigen Pension »Nalpanters Stolz« in Orshlach hinab. Aufgrund der großen Hitze hatten sich an diesem Nachmittag nur wenige Gäste um das mit
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