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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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dorthin zurückgekehrt, von wo perverse, lange vergessene Thaumaturgie ihn kurz entführt hatte.
    Lith schien nichts davon mitbekommen zu haben, sie hatte ungerührt die Unterweisung des Ghouls fortgesetzt. Mit großen Schritten kam das Monstrum zu ihr hinüber. Als es den am Boden liegenden Mann erreichte, streckte es einen seiner langen Arme aus.
    Obwohl Hippolit das Folgende vorausgeahnt hatte, sollte er die nächsten Sekunden für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen.
    Der Ghoul hob Flarians schlaffen Körper an, bis dessen Kopf dicht vor seinen mächtigen Kiefern schwebte. Er Öffnete den Rachen, riss ihn auf bis zum Anschlag, schob sich den Schädel des Toten seitlich zwischen die stabilsten seiner fürchterlichen Zähne.
    Und biss zu.
    Ein dumpfes, widerwärtiges Knacken, wie vom Bersten einer großen Nuss. Blut rann über Flarians weißes Gesicht. Der Ghoul spuckte etwas aus, das auf halbem Weg zwischen ihm und Hippolit auf dem Gitter landete: ein Stück Schädeldecke, an dem noch Reste des speichelfeuchten Skalps hingen. Rasch sah Hippolit weg.
    Geifernd fuhr die Kreatur eine lange, spitz zulaufende Zunge aus, dicker als Hippolits Handgelenk. Wie die übrige Haut der Bestie war auch sie von eitrigen Pusteln und Schwären überzogen. Mit einem lustvollen Gurgeln versenkte der Ghoul das Organ in der geöffneten Schädelhöhle und begann Flarians Gehirn herauszulutschen.
    Hippolit musste sich abwenden. Dabei streifte sein Bück Lith, die zurückgetreten war und die Aktivitäten ihres monströsen Dieners mit euphorischem Gesichtsausdruck verfolgte.
    Schlagartig kam ihm die Erkenntnis: Die Morde an den Orksoldaten, der Raub ihrer Herzen, das Ritual des Behemal, die Opferung Flarians, damit der Ghoul sein Hirn fressen konnte … all das hatte nur einem einzigen Zweck gedient!
    »Sie sind irr!« Hippolit spuckte die Worte aus wie ein Stück ranziges Fleisch. »Der Verlust Ihres Geliebten hat Sie jeglicher Vorstellung dessen beraubt, was richtig und was falsch ist!«
    Lith machte zwei gemächliche Schritte auf ihn zu, während der Ghoul hinter ihr sabbernd und stöhnend sein grausiges Mahl fortsetzte.
    »Sie haben meine Absicht demnach erkannt, o Meisterermittler?« Ihre Stimme troff vor Hohn. »Alles andere wäre Ihrem phänomenalen Ruf auch kaum gerecht geworden!« Sie lachte, ein plätscherndes, herablassendes Geräusch. »Doch was Sie als Wahnsinn bezeichnen, nenne ich Genialität! Ich habe den einen, den einzig möglichen Weg gefunden, meinen Geliebten an meine Seite zurückzuholen – auf ewig! Was frühere Generationen für unmöglich hielten, werde ich vollbringen.«
    Hippolit vergewisserte sich mit einem raschen Seitenblick, dass das Monstrum noch immer mit seiner Mahlzeit beschäftigt war, und versuchte, sich taumelnd aufzurichten. Das Mädchen machte eine beiläufige Handbewegung, worauf sich der eiskalte Druck der Jenseitigen Zwinge in seinem Nacken verstärkte. Sofort Ließ er sich auf die Knie zurücksinken.
    »Das Ritual des Behemal«, stieß er keuchend hervor. »Als das lyktische Heer vor den Toren Torrlems sein Lager aufschlug, erkannten sie Ihre Chance, an ein Dutzend frische Herzen zu kommen, ohne hier in Torrlem Aufsehen zu erregen. Sie ließen Ihren hässlichen Schoßhund zwölf Orks entführen …« Er stutzte. »Aber es wurden dreizehn Soldaten umgebracht, darunter auch ein Mensch. Warum?«
    Lith legte den Kopf schief und beobachtete den Ghoul, der mit schlangenartigen Verrenkungen seiner Zunge letzte graue Zellen aus Flarians Hirnschale leckte. »Mein Fehler«, bekannte sie. »Als ich Vomikron zum ersten Mal aussandte, lautete sein Befehl schlicht, mir das Herz eines starken, gesunden Kriegers zu bringen. Das Heerlager kam mir wie gerufen – in der Stadt hätte das Verschwinden so vieler Männer für Unruhe und eine unbequeme Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen gesorgt.« Sie zuckte die Achseln. »Anschließend versäumte ich es jedoch, die Prämisse für seine folgenden Aufträge zu präzisieren. Beim zweiten Mal brachte er noch zufällig ein identisches Herz – das eines weiteren Orks. Beim dritten Mal jedoch erbeutete er einen Menschen …«
    In Hippolits Kopf begannen die einzelnen Steine des Mosaiks, sich zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. »Da Sie aber für das Ritual Behemals zwölf gleichartige Herzen benötigten, schickten Sie das Monster erneut fort, um ein anderes zu holen.«
    Lith nickte gelangweilt. »Ich tadelte Vomikron und erteilte ihm den klaren Befehl, mir
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