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Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Titel: Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)
Autoren: Don DeLillo
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ich in die Stadt gefahren sei.
    Die Klinge wies keine offenbaren Blutspuren auf, hatte der Ranger gesagt.
    Ich fuhr Richtung Stadt, dann eine Zeit lang nach Osten und schließlich hinunter, auf die fragliche Zone zu. Ich verließ die asphaltierte Straße und folgte einem zerfurchten Weg, der in ein langes sandiges, trockenes Flussbett führte. Bald bedrängten hohe furchige Klippen den Wagen, und es dauerte nicht lange, da erreichte ich das Ende der befahrbaren Strecke. Ich setzte meinen Hut auf, stieg aus und spürte die Hitze, ihre Wucht und Kraft. Ich machte den Kofferraum auf und öffnete die Kühlbox, wo ein paar Flaschen Wasser in geschmolzenem Eis lagen. Ich wusste nicht, wie weit ich von der Fundstelle des Suchtrupps entfernt war, und versuchte, den Ranger anzurufen, aber das Handy hatte keinen Empfang. Ich lief zwischen stämmigen Felsblöcken herum, die durch Überschwemmungen oder Erdstöße von den Höhen der Hügel heruntergekommen waren. Der schrundige Pfad hier sah aus wie zerbröckelter Granit und fühlte sich auch so an. Immer wieder blieb ich stehen und schaute hoch und erblickte einen Himmel, der begrenzt schien, verdichtet. Ich verbrachte viel Zeit mit dem Schauen. Der Himmel war zwischen den Klippenkanten straff gezogen, enger und niedriger, das war das Merkwürdige, der Himmel ist direkt da, klettere die Felsen hoch und du kannst ihn berühren. Ich lief weiter und kam an das Ende des engen Durchgangs, auf offenes Gelände, dessen Boden unter Gestrüpp und Geröll verschwand, fast krabbelnd erklomm ich einen hohen Trümmerhügel, und vor mir lag die ganze versengte Welt.
    Ich ließ den Blick über Wogen aus Licht und Himmel schweifen, die mich blendeten, bis hinunter zu den aufgefalteten Kupferhügeln, die ich für die Badlands hielt, eine Reihe unberührter Grate, die sich in einem seriellen Muster aus dem Wüstenboden erhoben. Konnte dort drinnen jemand tot sein? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Es war zu weit, es war unwirklich, die Symmetrie der Furchen und Kämme, es war niederschmetternd, die herzzerreißende Schönheit, die Gleichgültigkeit, und je länger ich da stand und schaute, desto mehr wuchs meine Gewissheit, dass wir niemals eine Antwort bekommen würden.
    Ich musste aus der Sonne gehen und rutschte wieder nach unten ins Flache, wo es einen Schattenkeil gab und ich meine Wasserflasche aus der hinteren Tasche nahm. Ich versuchte erneut, den Ranger zu erreichen. Er sollte mir sagen, wo ich war. Ich wollte wissen, wo er war, und diesmal mit präziser Wegbeschreibung. Ich wollte an den Ort, einfach sehen und spüren, was dort war. Ich nahm an, dass das Messer auf dem Weg zu einem Polizeilabor irgendwo im County war. Ich nahm an, dass der Sheriff aufgrund der Informationen, die ich ihm über die Anrufe der unterdrückten Nummer bei Jessies Mutter gegeben hatte, tätig geworden war. Dennis. Ich dachte an ihn als Dennis X. Gab es eine gesetzliche Grundlage dafür, die Anrufe zurückzuverfolgen? Erinnerte sich die Mutter korrekt an den Namen des Mannes? Würde der Vater immer noch im Bett liegen, verschlungen von Erinnerungen, gelähmt, wenn ich ins Haus zurückkehrte? Das Wasser war lauwarm und schmeckte chemisch, zu Molekülen zerfallen, ich trank etwas davon und schüttete mir den Rest über Gesicht und Hemd.
    Ich wanderte zurück in das trockene Flussbett unter der niedrigen Himmelslinie, dann blieb ich stehen, legte die Hand auf die Klippenwand und spürte den geschichteten Fels, die horizontalen Risse oder Verschiebungen, die mich an riesige Erdverwerfungen denken ließen. Ich schloss die Augen und lauschte. Die Stille war vollkommen. So eine Ruhe hatte ich noch nie gespürt, so ein allumschlingendes Nichts. Aber ein Nichts, das war, das sich um mich herum drehte, oder sie war es, Jessie, warm anzufassen. Ich weiß nicht, wie lange ich da stand, und jeder Muskel meines Körpers lauschte. Konnte ich in dieser Stille meinen Namen vergessen? Ich nahm die Hand von der Wand und legte sie an mein Gesicht. Ich schwitzte heftig und leckte mir den feuchten Mief von den Fingern. Ich schlug die Augen auf. Ich war immer noch hier, in der äußeren Welt. Dann brachte mich irgendetwas dazu, mich umzuwenden, und in meinem Erstaunen musste ich aussprechen, was es war, eine Fliege, die an mir vorbeisummte. Ich musste mir das Wort vorsagen, Fliege. Sie hatte mich gefunden und war zu mir gekommen, in all diesem strömenden Raum, herbeigesummt, und ich holte vage aus, um nach dem Geräusch zu
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