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Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Titel: Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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erklärlich.
    Das Mädchen unterdrückte also schnell die Tränen, erhob sich und fragte: »Hat Onkel Bu vielleicht meine Eltern gesehen?« Bu Tjiaos arge Gedanken bewegten sich aber in ganz anderer Richtung: »Gestern«, dachte er, »wurde ichvon den Regierungstruppen beraubt; alles haben mir die Hunde genommen, nicht einen Pfennig habe ich mehr. Dieses mir vom Himmel gefallene ›Schüsselchen mit Kleidung und Speise‹ ist wirklich ein seltenes Gut und gar nicht zu verschmähen.« Laut aber log er und sagte: »Da dein Vater und deine Mutter dich vergebens gesucht haben, sind sie sehr betrübt und vor Schmerz ganz außer sich. Jetzt sind sie schon längst wieder weitergezogen, nachdem sie mir zuvor noch aufgetragen hatten, dich, wenn ich dich sähe, um jeden Preis zu ihnen zurückzubringen. Dafür würden sie mir, wie sie versicherten, sehr, sehr dankbar sein.« Obwohl nun Yao-Tjin ein kluges Mädchen war, befand sie sich doch in einer Lage äußerster Hilflosigkeit, in der sie wirklich nicht wissen konnte, was zu tun sei. Denn der edel und vornehm denkende Mensch wird betrogen nur wegen seiner vornehmen Gesinnung. So folgte sie denn Bu Tjiao ohne Arg, wie es im Gedichte heißt:
    »Mein Herz ahnt wohl: nicht ist's der richt'ge Freund, –
Das Schicksal aber drängt und folgen muß ich ihm.«
    Bu Tjiao gab ihr ein wenig von dem getrockneten Kuchen, den er bei sich trug, zu essen, indem er in fast befehlendem Tone bemerkte:»Deine Eltern sind gewiß die ganze Nacht hindurch gelaufen. Wenn wir sie nicht unterwegs wo treffen können, müssen wir über den Fluß nach Djién-K'ang-Fu (Nanking). Dort erst können wir ihnen vielleicht begegnen. Wenn wir aber den ganzen Weg zusammen gehen sollen, halte ich es für das beste, daß du mir erlaubst, dich für meine Tochter auszugeben, und ich will dann meinetwegen dein Vater sein. Sonst würde man sagen, daß ich ein verirrtes, verlorenes Mädchen aufgegriffen hätte, und das wäre mir nicht angenehm.« Yao-Tjin willigte ein, und so zogen sie von nun an auf dem Lande mit gleichen Schritten, auf dem Wasser im gleichen Schiff dahin, sich mit »Vater« und »Tochter« anredend. Als sie auf den Weg kamen, der nach Djién-K'ang-Fu führte, vernahmen sie, daß Prinz Wu-Schu, der vierte Sohn des Fürsten der Djin, mit seinen Horden über den Strom gesetzt war, daß sie augenscheinlich auch in Djién-K'ang nicht zu Atem kommen würden. Weiter hörten sie, daß Prinz K'ang den Thron bestiegen hätte und schon in Hang-Dschóu residierte, dessen Namen er in Lin-An umänderte. Sie mieteten also sofort ein Boot und fuhren über Žun-Dschóu, Ssu-Tschang undKiá-Hu nach Lin-An, wo sie vorläufig in einem Gasthaus Wohnung nahmen. –
    Der ausgeplünderte Bu-Tjiao hatte von P'i-Leáng bis Lin-An – über dreitausend Li weit – Hsing Yao-Tjin mitgeführt. Die wenigen Taels, welche er verborgen bei sich getragen hatte, waren aufgebraucht. Er hatte sogar seine Oberkleidung hingeben müssen, um die Rechnung des Wirtes zu bezahlen. Nur Hsing Yao-Tjin war ihm noch übriggeblieben, eine lebendige Ware von einigem Wert, welche er abzugeben wünschte.
    Zufällig erfuhr er, daß eine gewisse Wang Djiú-Ma, die Besitzerin eines »Rauch- und Blumenhauses« (Bordells) am Westlichen See eine Pflegetochter suchte. Ohne sich lange zu besinnen, führte er die Alte in das Gasthaus, um ihr die Ware zu zeigen und den Geldpunkt zu erledigen. Djiú-Ma fand Yao-Tjin hübsch gewachsen und bestimmte eine Vergütung von fünfzig Taels. 5 Nachdem nun Bu-Tjiao das viele Geld in Händen hatte, brachte er Yao-Tjin zu jener Frau Wang. Schlau und gerissen, wie er war, hatte er nämlich dort gesagt, Yao-Tjin sei seine Tochter, die er, nur durch Unglückund Not gezwungen, in ihr Haus gäbe. Sie müsse sehr zart und behutsam angefaßt werden; dann würde sie schon von selbst gehorchen; nur dürfe man ja nichts übereilen. –
    Yao-Tjin aber hatte er vorgespiegelt, Wang Djiú-Ma sei eine sehr nahe Verwandte von ihm. Durch die Ungunst der Verhältnisse gezwungen, müsse er sie bei ihr unterbringen, bis er seinem Versprechen gemäß ihre Eltern ausgekundschaftet hätte. Dann wolle er wiederkommen und sie abholen.
    In dieser Hoffnung ging Yao-Tjin mit Freuden hin, ohne zu ahnen, daß sie in die Hände einer Bordellwirtin geraten war.
    »Du armes Mädchen, schönste und klügste von allen,
Bist in das Netz eines Freudenhauses gefallen.«
    Als Wang Djiú-Ma den frischen, vielversprechenden Zuwachs in Yao-Tjin erhalten hatte,
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