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Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Titel: Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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für sie zu finden, und obwohl sehr viele Freier kamen, war sie deshalb doch noch keinem versprochen worden.
    Unglücklicherweise traf es sich, daß die Djin-Barbaren wieder einmal in wilden Horden ins Land brachen und P'i-Leáng auf allen vier Seiten belagerten. Obwohl es genug kaiserliche Feldherrn gab, hatte der Reichskanzler mit ihnen Frieden geschlossen. Was aber die Barbaren durchaus nicht hinderte, noch frecher zu werden, die Hauptstadt zu zerstören und die beiden Kaiser mit Gewalt hinwegzuführen. Damals flüchtete die Bevölkerung aus der Umgebung der Stadt in größter Bestürzung und Mutlosigkeit. Alt und jung mit sich nehmend, verließ man seine Häuser, das nackte Leben zu retten. Auch Hsing-Schan schloß sich mit seiner Frau und dem zwölfjährigen Töchterchen, nachdem er noch schnell in aller Eile sein Hab und Gut zusammengerafft hatte, dem Trupp der Flüchtigen an. Wie Hunde, welche das Haus ihres Herrn verloren hatten, eilten sie aufgeregt dahin und dorthin, schnell wie die Fische, welche dem Netze entschlüpft waren. Sie litten Durst, sie litten Hunger, sie litten Entbehrungen und bitteres Leid. Der Zug wandte sich nach Norden: Aber wo war eine Heimat? Himmel, Erde und Ahnen wurden angefleht, sie vor einer Begegnung mit den Tatarenhorden zu bewahren. –
    Ja, es ist doch schön, unter einem friedlichen Himmel zu leben und kein unstet und heimatlos umherirrender Mensch zu sein! –
    Gerade, als sie so dahinzogen, stießen sie unvermutet auf eine Schar besiegter und zersprengter Regierungstruppen. Als diese soviel flüchtiges Volk mit ihrem Hab und Gut in Bündeln auf dem Rücken dahineilen sahen, verbreiteten sie verräterischen Sinnes das Gerücht, die Barbaren kämen, und legten längs des Weges Brände an, um ihre Täuschung wahrscheinlich zu machen.
    Eben wollte der Abend hereinbrechen, und das geängstigte Volk suchte sich in wilder Verwirrung zu verbergen. Da kümmerte sich keiner mehr um den andern: Du – ich – wir gingen uns nichts mehr an! Als die allgemeine Verwirrung den Höhepunkt erreicht hatte, benutzten die geschlagenen Regierungstruppen die Gelegenheit, um nach Herzenslust zu rauben und zu plündern. Wer nicht gutwillig hergeben wollte, wurde niedergemacht. Fürwahr ein Aufstand im Aufstand und Trübsal über Trübsal! – Auch Hsing Yao-Tjin war in dem wilden Gedränge der Fliehenden zu Boden gerissen worden, und als sie sich mühsam wieder aufrichtete,sah sie die Eltern nicht mehr. Aber sie wagte nicht zu schreien, sondern verkroch sich in ein altes Grab, welches auf der Seite des Weges stand, und blieb dort die ganze Nacht. Als der Tag anbrach, kam sie hervor, Umschau zu halten, aber ihre Augen sahen nichts als Wind und Sand und Sand und Wind. Auf der Straße lagen übereinander die Leichen. Und sie wußte nicht, wohin die Leute, mit denen sie noch gestern geflohen war, sich gewandt hatten. Yao-Tjin gedachte der Eltern und weinte unaufhörlich. Sie wollte sie suchen, aber der Weg war ihr unbekannt. So blieb ihr nichts übrig, als nach Süden zu gehen. Jeder Schritt war von einem lauten Schluchzen begleitet. Sie war noch nicht zwei Li 4 gegangen – matt, und zu all ihren Leiden hatte sich auch der Hunger gesellt –, da bemerkte sie beim Aufschauen ein Häuschen aus Lehm und dachte, darin ein menschliches Wesen zu finden. Dort wollte sie um etwas Speise und Trank bitten. Kaum war sie aber nahe genug herangekommen, sah sie nur eine zerstörte, leere Hütte, deren Bewohner alle davongeflohen waren. Da sank Yao-Tjin an der Lehmwand nieder und weinte bitterlich.
    Nun ist es ein altes Sprichwort: »Würd' sich nie ein Zufall finden, auch Geschichten nicht entstünden.« Der Zufall fügte es also, daß ein Mann an der Mauer des Hauses vorbeikam. Er hieß Bu Tjiao-Dschong und war Hsing-Schans Nachbar gewesen, von jeher ein Vagabund und Nichtstuer, ein Mensch ohne jedes Pflichtbewußtsein, der nur gewöhnt war zu essen, wo er etwas umsonst herausschlagen konnte, und nie Geld ausgab, welches er ehrlich verdient hatte. So war er stadtbekannt geworden und hieß nur »Der älteste Bu«. Auch ihn hatten die Regierungstruppen von seinen Gesellen getrennt, und als er heute allein für sich dahinging und im Hause eine weinende und klagende Stimme hörte, kam er eilig herbei, um nachzusehen, was das wohl wäre. Yao-Tjin, welche ihn von klein auf kannte, sah heute, wo sie in ihrem Unglück weder Vater noch Mutter vor Augen hatte, in dem Nachbarn so etwas wie einen Verwandten. Und das ist
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