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Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Titel: Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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wärst, würde ich gern vor dir Ko-tóu 9 machen. Aber trinke doch noch ein Täßchen Tee, damit dir deine Zunge nachher beim Reden nicht trocken wird.«
    »O, das hat nichts zu sagen,« erwiderte Frau Liú Sse-Ma, »mein Mund kann getrost mit dem Meere konkurrieren. Er ist eine Gabe des Himmels. Und wenn ich auch bis morgen reden sollte, so würde ich doch kaum Durst verspüren.«
    Nachdem die würdige Dame aber noch ein paar Tassen Tee getrunken hatte, begab sie sich in die dahinterliegenden Abteilungen des geräumigen Hauses, wohin Meï-Niáng sich zurückgezogen hatte, fand indessen die Tür verschlossen und rief leise und eindringlich nach ihrer »Nichte«.
    Als Meï-Niáng die Stimme ihrer alten Freundin erkannte, kam sie eilends herbei, die Tür zuöffnen. Nach gegenseitiger Begrüßung nahm Liú Sse-Ma am Tische, mit dem Gesicht nach dem tieferliegenden Raume des Zimmers, Platz. 10 Meï-Niáng setzte sich ihr zu Füßen, um ihr Gesellschaft zu leisten.
    Wie zufällig schweifte Liú Sse-Mas Blick über den Tisch, um alsbald an einer feinen Decke aus dünner Seide aufmerksam haftenzubleiben, auf welche ein schönes Frauengesicht gezeichnet war. Die farbige Ausführung fehlte noch. Liú Sse-Ma bemerkte lobend: »Wie schön ist das gemacht! Du hast wirklich eine künstlerische Hand. Wang Djiú-Ma, meine Freundin und Schwester, weiß wirklich nicht, wie glücklich sie sich preisen kann, ein so geschicktes und kluges Mädchen gefunden zu haben wie dich, die sich in der Malerei wie in kunstgewerblichen Arbeiten durch gleiche Begabung und Fertigkeit auszeichnet. Könnte man denn, auch wenn man einige tausend Taels gelben Goldes aufhäufte, in ganz Lin-An – und mag man gehen, wohin man will – deinesgleichen finden?«
    Meï-Niáng erwiderte: »Loben Sie nicht. Ich müßte sonst darüber lachen. – Welcher Wind hat meine Tante heute hergeweht?«
    »Ich wollte«, antwortete Liú Sse-Ma, »eigentlich schon immer einmal nach dir sehen; aber weil ich den ganzen Haushalt allein auf dem Halse habe, konnte ich kein bißchen Zeit finden. Nun hörte ich, daß du glücklich deinen ›Kamm im Haar hast‹, und so habe ich mir einfach etwas freie Zeit gestohlen und bin hier, um meiner Freundin Wang Djiú-Ma meine ganz besonderen Glückwünsche auszusprechen.«
    Kaum hatte das schöne Mädchen jene Worte vernommen, als sie, über und über errötend, ihren Kopf zur Erde neigte. Da eine Antwort ausblieb, rückte Liú Sse-Ma, welche wußte, daß Meï-Niáng sich schämte, ihren Stuhl ein wenig näher an sie heran, ergriff ihre Hand und sagte:
    »Mein Kind, du bist doch schon ein erwachsenes Mädchen und kein Ei mit weicher Schale mehr! Wozu denn dieses überempfindliche Zartgefühl? Wo in aller Welt ist eine, die gleich dir die Sache so ernst nimmt? Wenn du dich schämst, wie willst du denn viel Geld verdienen?«
    »Wozu soll ich Geld verdienen?« fragte Meï-Niáng.
    »Gut, mein Kind, du willst kein Geld, gut; aber die, welche dir eine zweite Mutter ist undsieht, daß du ein reifes Mädchen geworden bist, wenn sie nun etwas mehr verdienen wollte –?
    Ein altes Sprichwort sagt: ›Wenn man seine Hoffnung auf den Berg setzt, ißt man vom Berge. Wenn man seine Hoffnung auf das Wasser setzt, trinkt man vom Wasser‹, d. h. verläßt man sich kurzsichtig auf das, was man hat, ohne sich anzustrengen, Neues hinzuzuerwerben, so kommt man am Ende an den Bettelstab, da man für die Zukunft nicht gesorgt hat. Meine Freundin hat zwar einige Mädchen, aber welche von ihnen hat so zierliche Füße, daß sie an deine Schönheit heranreichen kann? Da ist wohl ein Garten voll Melonen, aber nur eine einzige Frucht unter allen, wie sie sieht, von feinster Art und Güte. Meine Freundin behandelt dich ja auch ganz anders wie jene Mädchen. Du bist ein kluges und geschicktes Kind, du mußt das doch erkannt haben.
    Nun habe ich eben gehört, daß du seit jener Nacht nicht einen Gast mehr empfängst. Was willst du denn damit sagen? Wenn alle so dächten wie du, wären die Mädchen im ganzen Hause hier ja alle wie Seidenraupen: Wer soll sie denn mit Maulbeerblättern füttern? Da deine Mutter dir besondere Beachtung schenkt, so mußt dudich ihr doch auch ein wenig gefügig zeigen, und nicht durch deinen Trotz das dumme Gerede aller Mägde herausfordern.«
    »Mögen sie doch über mich reden! Was in aller Welt geht mich ihr Geschwätz an?« warf Meï-Niáng verächtlich ein.
    »Ah, meinst du etwa, daß ihr Geklatsch nur eine Kleinigkeit ist –?! Kennst
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