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Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)

Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)

Titel: Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)
Autoren: Peter Maffay
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in der Nähe von München und Ken in Frankfurt. Wir kommen immer wieder zusammen – entweder in Tutzing, unserer Homebase am Starnberger See, oder direkt zu den Konzerten. Auch wenn wir uns Wochen oder Monate nicht gesehen haben, haben wir schon nach wenigen Augenblicken den Eindruck, wir wären nicht länger als ein paar Minuten getrennt gewesen. Meine Band ist Teil meiner Familie, sie ist mein ganz spezieller Schutzraum.
    Die Musik gibt mir Kraft und Inspiration. Sie ist das perfekte Medium, mich auszuleben und meine Vorstellungen und Emotionen zu kommunizieren, einen Dialog zu entfachen.
    »Die Gitarre ist oft wie ein Schutzschild.« – Ich habe das zum Beispiel im Zusammenhang mit den Rolling-Stones-Konzerten gelegentlich gesagt. Es ging um die Ereignisse von 1982. Zusammen mit Fritz Rau, meinem langjährigen Mentor und Freund, hatten wir uns entschlossen, im Vorprogramm der Stones zu spielen. Fritz Rau ist eine Veranstalterlegende, er brachte Ella Fitzgerald, Bob Dylan und viele andere Weltstars erstmals nach Deutschland. Charles Aznavour sagte einmal über ihn: »Wenn Fritz mich den ›Napoleon des Chansons‹ nennt, dann muss er wohl der Kaiser unter den Konzertveranstaltern sein.«
    Jedenfalls war ich damals gerade einigermaßen vom Schlagersänger zum Rocker mutiert – viele sahen das noch nicht so. Als ich mit der Band auftrat, gab es erst Pfiffe und dann flogen Coladosen und Tomaten auf die Bühne. Ein perfektes Lehrstück! Eine Erfahrung, die uns auf den Boden zurückgeholt hat, auch wenn die Landung mehr als hart war. Heute kann ich darüber schmunzeln. Damals war ich außer mir vor Wut. Was geblieben ist, ist die Erkenntnis: »Die Gitarre ist oft wie ein Schutzschild.«
    Es gibt eine Reihe von Begegnungen im Leben, die mich maßgeblich geprägt haben. Anfang der 80er-Jahre lernte ich Willy Brandt kennen und gemeinsam mit anderen Künstlern haben wir ihn im Kampf gegen Atomwaffen unterstützt. Willy Brandt war schon damals eine Ikone. Er war ein Mensch, zu dem man aufschaute und dem man gern zuhörte, der große Friedensnobelpreisträger, der im Nachkriegsdeutschland so viel erreicht hat. Diese wunderbare, wichtige Geste der Versöhnung in Warschau, sein Kniefall, und diese Größe, zu sagen: Ja, es tut uns leid und wir übernehmen die Schuld für die Verbrechen unserer Vergangenheit. Das hat mir sehr imponiert. Das hatte kein Politiker bis dahin getan.
    Auch Desmond Tutu ist eine solche Persönlichkeit. Der südafrikanische Erzbischof strahlt eine ungeheure Lebensfreude aus. Er ist jemand, der trotz seines Alters sehr jung, sehr vital, geradezu spitzbübisch wirkt. Ich habe ihn das erste Mal in Leipzig getroffen. Er kam direkt aus Südafrika, hatte einen vollen Terminplan und wir wollten ihn als Paten für unser Projekt »Begegnungen – Eine Allianz für Kinder« gewinnen. Zwischen zwei Interviewterminen nahm er sich Zeit und ich konnte ihm unser Projekt vorstellen. »Begegnungen« war eine dreiteilige Konstellation: Ein prominenter Pate pro Land, ein Hilfsprojekt und ein populärer Künstler, mit dem ich einen Song aufnehme. In Südafrika hatten wir Zola gewinnen können, einen großartigen Rapper, der große Popularität genießt. Zola ist ein Künstler, der vor allem junge Menschen anspricht, der eine eigene TV-Sendung hatte und sich damals unermüdlich im Kampf gegen HIV / Aids engagierte. AIDS ist die große Geißel, unter der die Menschen in Südafrika zu leiden haben. Noch immer gibt es dort massive Vorurteile in Bezug auf Verhütung. Männer lehnen sie mit dem Argument ab, es sei ihnen nicht männlich genug. Hinzu kommt die erschreckend hohe Zahl von Vergewaltigungen. Wir hatten mit Zola, der aus einem Township kommt, einen Künstler gefunden, der sich offen gegen Vorurteile und für Aufklärung aussprach und ein entsprechendes Projekt in Johannesburg unterstützte. Desmond Tutu hatten wir vorab informiert, und er war bereit, als Pate zur Verfügung zu stehen. Das hatte zweierlei Vorteile: Zum einen ist Desmond Tutu eine globale Integrationsfigur. Gemeinsam mit Nelson Mandela gehört er zu den Ikonen der Freiheitsbewegung. Seine Rolle während der Apartheid ist für Südafrikas Gesellschaft extrem wichtig. Desmond Tutu ist ein Mann, der Mut macht. Ich denke oft an seinen Satz: »Der Mensch ist da, um gut zu sein.« Welch ein klares Plädoyer für mehr Menschlichkeit. Desmond Tutu ist auch Teil des moralischen Gewissens Südafrikas. Entsprechend war es für uns ein großer Gewinn, ihn an
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