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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller
Autoren: Aufbau
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Cousins konnte er keinen Trost erwarten. Ihr Vater, Williams Onkel Adam, war drei Jahre zuvor an der Somme gefallen. Seine Fotografien mit einem schwarzen Trauerflor standen, für jedermann sichtbar, auf den Kaminsimsen überall im Haus. Seine Medaillen waren in der Diele auf Samtkissen ausgestellt, und links vom Altar in St. Mary’s hatte man sogar eine Gedenktafel für ihn angebracht.
    Roger und Charles machten William das Leben zur Hölle. Sie spotteten über seinen Vater, der, so meinten sie, überhaupt kein Soldat gewesen war. Und wenn, dann hatte er bestimmt den ganzen Krieg an einem Schreibtisch in Indienverbracht. Das klang, als hätte er den Wehrdienst verweigert. Einmal legten sie William eine Gänsefeder mit dem handgeschriebenen Schild »Für deinen Vater« aufs Bett, wie es Feiglinge verdienen.
    All das war für einen neunjährigen Jungen schon schwer genug. Aber kaum war der Vater zurück, da nahm seine Mutter den letzten Kampf gegen die Krankheit auf, die bereits seit achtzehn Monaten an ihr nagte. »Das Endstadium«, nannten es die Leute, wenn sie glaubten, William höre nicht zu. Und die Art, wie sie seinem Blick auswichen, sagte ihm, dass sie das Schlimmste befürchteten. In Erwartung von Christophers Rückkehr hatte die Mutter in den vergangenen sechs Monaten all ihre Kraft zusammengenommen. Er konnte es in ihren Augen lesen, wenn er zu ihr in das kalte Schlafzimmer ging – dieses heftige Verlangen, das sie antrieb und zugleich auszehrte.
    Zwei Monate nach Christophers Ankunft, kurz vor Weihnachten, da alle Welt, festlich gestimmt, die Geburt neuen Lebens in einer alten Welt erwartete, schlief Williams Mutter friedlich ein.
    Obwohl der Junge wusste, dass es ungerecht war, machte er seinen Vater für ihren Tod verantwortlich. Und Christopher selbst trug ein Schuldgefühl mit sich herum, das den Sohn nur in seinem unausgesprochenen Vorwurf bestärkte. Die Wahrheit war, dass er mit dem Jungen nicht zurechtkam und mit dem Tod seiner Frau nicht fertig wurde. Rationale Erklärungen gab es dafür nicht. In dem strengen Winter, der nun folgte, lief er stundenlang über öde, gefrorene Felder, um seine Schuldgefühle loszuwerden oder zumindest für eine Weile zum Schweigen zu bringen. Es blieb bei der schmerzhaften Distanz zwischen ihm und dem Jungen.
    Der Frühling vertrieb den Frost aus dem Boden. Auf Elizabeths Grab erblühten die ersten Blumen, aber Vater undSohn waren sich nicht nähergekommen. Man entschied, dass William im Herbst ins Internat nach Winchester gehen sollte. Doch dann war mit einem Mal alles anders. Eines Tages, als Christopher seine Schwester Harriet in Hexham besuchte, schlich sich William heimlich in das Zimmer des Vaters und öffnete dessen Schreibtisch. Was er wohl dort suchte? Er wusste es selber nicht. Im Grunde genommen seinen Vater. Und in einem gewissen Sinne fand er ihn auch.
    In einer Schublade oben rechts stieß er unter einem Stapel von Papieren auf ein rotes Kästchen. Den Deckel zierte das königliche Wappen, und darin lag eine Medaille in Form eines Kreuzes. William erkannte es sofort: Es war das Victoriakreuz, die höchste militärische Auszeichnung des Landes. Er hatte während des Krieges einmal ein Bild in einer Zeitschrift gesehen. Ein Umschlag unter dem Kästchen enthielt einen Brief aus dem Buckingham-Palast, der Major Christopher Wylam in den höchsten Tönen für »außerordentlichen Mut im Dienste von König und Vaterland« pries.
    Tagelang war William zwischen Begeisterung über diesen Fund und Schuldgefühlen über die dabei angewandten Mittel hin und her gerissen. Am Sonntag nach dem Gottesdienst beichtete er seinem Vater, denn sein Drang nach einer Erklärung war inzwischen viel stärker als die Furcht vor möglicher Strafe. An diesem Nachmittag sprachen die beiden zum ersten Mal in Christophers Arbeitszimmer miteinander, bis das Feuer im Kamin erloschen war.
    Christopher erklärte dem Jungen, Krieg sei mehr als Feldschlachten mit Panzern und Flugzeugen. Der Krieg, den er in Indien führen musste, sei eine einsame, kranke, heimtückische Angelegenheit gewesen. Und was er William gesagt habe, müsse ein großes Geheimnis zwischen ihnen beiden bleiben.
    Von diesem Tag an kamen sie einander näher. Zumindest teilten sie ihre Trauer, soweit das möglich war. Sie kamen überein, William werde zunächst ein weiteres Jahr in Carfax bleiben, wonach zu entscheiden war, ob er überhaupt eine auswärtige Schule besuchen sollte. Als der Sommer begann, wuchsen Rosen
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