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Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Titel: Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
Autoren: Ilse Wenner-Goergen
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dass sie ein wenig zitterte. „Hast du Angst?“, hatte er gefragt, doch sie hatte den Kopf geschüttelt. „Nicht, wenn du bei mir bist. Ein bisschen kalt ist mir nur.“ Daraufhin hatte er sie fest an sich gezogen und ihr beide Arme um Schultern und Rücken gelegt, um sie zu wärmen.
    „Lass uns doch ein Weilchen hinein gehen“, hatte sie gesagt, als sie sich langsam von ihm löste und ihn dann mit einer Hand zum Eingang der Scheune zog. Erst war er nur zögernd mitgegangen, schließlich sollte sie doch nach Hause, dann jedoch hatte er sich widerstandslos darauf eingelassen. Zu groß war die Versuchung. Noch lange Zeit später war ihm, als könnte er sie riechen, wann immer er in der Nähe der Scheune war. Und es zog ihn oft zu diesem Platz zurück. Ihr Duft war eine Mischung aus süßem Mädchenparfum und dem Geruch, den Pferde verströmten. Und ein bisschen hing er hier immer noch in der Luft. Wie süchtig kehrte er wieder und wieder an den Ort zurück, an dem er sich nur zu gern von ihr hatte verführen lassen. Seine Bewunderung hatte sich gewandelt, jetzt vergötterte er sie. Er verspürte unbändige Freude bei dem Gedanken daran, bald – vielleicht schon morgen – wieder mit ihr zusammen sein zu können. Das ganze Dorf würde staunen! Staunen, dass ausgerechnet er, Peter Müller, jetzt der Auserwählte von Sarah Wildenbroich war. Er sah sich bereits im Juli Arm in Arm mit ihr zur Kirmes gehen.
     
    Am nächsten Abend hielt er sich wieder auf ein abendliches Bier im Reiterstübchen auf. Er hatte Sarah bereits in den Stallungen entdeckt, und jetzt wanderten seine Augen ruhelos immer wieder hinunter in die Reithalle, wo sie hoffentlich bald auftauchen würde.
    Als sie endlich zu sehen war, wandte er seinen Blick nicht mehr von ihr ab, beobachtete von hier oben durch große Glasscheiben, wie sie auf einem Rappen ihre Runden drehte. Fantastisch, diese junge Frau. Seine Verehrung war grenzenlos. Voller Stolz dachte er daran, dass er jetzt der Mann in ihrem Leben war. Dieser Gedanke verschaffte ihm ein Hochgefühl wie nie zuvor.
    Als Sarah mit dem Pferd die Reithalle verließ, beeilte er sich zu bezahlen und die Reitergastwirtschaft zu verlassen. Er stellte sich in die Stallgasse und sah ihr zu, wie sie das Pferd absattelte. Ihre Bewegungen und ihr sanfter Umgang mit dem riesigen Tier waren faszinierend. Ein bisschen störte ihn, dass sie ihn nahezu ignorierte – nicht einmal einen kleinen Wiedersehenskuss hatte es für ihn gegeben – doch er hoffte auf ihre Aufmerksamkeit, wenn sie endlich mit dem Pferd fertig war.
    Beinahe zu spät bemerkte er es, als sie schließlich ging. „Darf ich dich wieder nach Hause bringen?“, fragte er sie, als er schließlich hinter ihr her hechtete.
    „Heute nicht!“ erwiderte sie kurz angebunden. Sie drehte sich dazu nicht einmal nach ihm um. Wie vom Donner gerührt war Peter Müller in der Stallgasse erstarrt. Dass er von ein paar Anwesenden mitleidig belächelt wurde, bemerkte er nicht. „Aber…“, stammelte er noch, doch sie war bereits um die Ecke verschwunden. Einen langen Moment brauchte er noch, um sich aus seiner Erstarrung zu lösen, dann rannte er hinter ihr her. Gerade noch konnte er sehen, wie sie im Dunkel verschwand. Und auch, dass sie nicht alleine war.
     
    Peter Müller fühlte sich wie ein geprügelter Hund, als er sich keuchend an ein kaltes Gerüst lehnte. Den ganzen Weg bis hierher war er gelaufen. Er war Sarah gefolgt, und er hatte sie in der Feldscheune gesehen. Zusammen mit Heinz Beck, einem Kerl aus dem Nachbardorf. Sarah hatte sich dem dicken Heinz an den Hals geworfen, genau wie wenige Abende zuvor noch ihm selbst, und sie hatte ihm auch die gleichen Dinge zugeraunt, bevor er sich grunzend in ihr verlor. Bis zum Schluss hatte Peter zugesehen, obwohl es schier unerträglich war.
    Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis Sarah nach Hause kam. Peter blickte sich um. Drei, vier Tage erst war es her, da hatte er sich genau an dieser Stelle von ihr verabschiedet. Drei, vier Tage erst – und doch scheinbar eine Ewigkeit. Er blickte an dem Baugerüst hoch, an dem sie hinaufgeklettert war in ihr Zimmer. Sie hatte es in jener Nacht genutzt, damit ihre Eltern sie nicht bemerkten. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Sarah ihren Ausflug und ihr Nachhauskommen geplant haben musste. Ansonsten hätte sie wohl kaum an einem kühlen Märzabend so spät noch ein offenes Fenster vorgefunden. Und im selben Moment, in dem er das begriff, wuchs der Entschluss, auch
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