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Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Titel: Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
Autoren: Ilse Wenner-Goergen
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Umschweife auf Frau Wildenbroich. Wie sie so alleine da stand, müde und auf ihren Stock gestützt, weckte sie sein Bedürfnis, ihr Gesellschaft zu leisten. Gesellschaft ohne Gespräch. Gesellschaft – stumm, in Gedanken. Er ließ kurzerhand sein Arbeitsmaterial fallen, erhob sich, klopfte sich notdürftig den Dreck von seiner Hose ab und ging dann rüber zu der alten Dame. Er trat zunächst leise hinter sie, und als sie sich zu ihm umwandte, machte er einen weiteren Schritt nach vorn, griff nach dem Wasserspender und segnete Sarahs Grab. „Ist lange her“, murmelte er, als er schließlich wieder neben Frau Wildenbroich stand.
    „Kannten Sie sie denn?“, fragte Frau Wildenbroich erstaunt. „Sicher, Frau Wildenbroich.“ Sie war wirklich sehr vergesslich geworden! „Sicher kannte ich Sarah. Schlimm, was damals passiert ist.“
    „Ja. Schlimm“, stimmte die alte Frau ihm zu.
    „Sie war so ein hübsches Mädchen.“
    Wieder musterte Frau Wildenbroich ihn intensiv. Dann sagte sie: „Sie war sehr lebensfroh. Meistens lustig und gut gelaunt. Und so anständig. Eine Schande, was passiert ist. Und warum es passiert ist. Mit Kerlen hätte sie ja von sich aus nie etwas angefangen, sie war doch noch viel zu jung! Und doch hat ihr Temperament ihr das Genick gebrochen.“ Es klang verbittert. Die Frau war über den Verlust des Kindes auch nach all den Jahren noch nicht hinweg.
    Er nickte. Wie wahr, dachte er. Gedanken, die sich jedoch lediglich auf den Genickbruch bezogen. Er entgegnete nichts.
    Es stimmte. Sarah hatte sich bei einem Sturz das Genick gebrochen. Sie war auf der Stelle tot gewesen.
    „Kannten Sie sie denn?“, fragte Frau Wildenbroich erneut, und er musste lächeln, während er nickte. Selbstverständlich hatte er Sarah gekannt. Es gab kaum jemanden hier im Ort, der sie nicht gekannt hatte. Ja, er erinnerte sich sehr gut an das junge Mädchen. Süße siebzehn Jahre alt hatte Sarah beinahe jedem Kerl im Ort den Kopf verdreht. Und wenn er es nur tat, um ihr hinterher schauen zu können. Und genau diese Aufmerksamkeit hatte die Kleine offensichtlich genossen. So brav und bieder, wie ihre Mutter sie in Erinnerung hatte, war Sarah keineswegs gewesen. Von wegen, nichts mit den Kerlen angefangen! Es gab ein paar, die hatte sie regelrecht heiß gemacht. Ja, er gestand sich ein, dass er selbst auch ein Auge auf dieses Mädchen geworfen hatte – trotz des Altersunterschieds von fast zehn Jahren.
    Er dachte daran, wie sie auch ihm zeitweilig schöne Augen gemacht hatte. Doch es war ihr nicht ernst gewesen. Sie hatte mit ihm gespielt, wie mit so vielen anderen auch.
    Er seufzte und betrachtete die alte Frau Wildenbroich im Profil. Gleichzeitig tauchte ein Bild von Sarah vor seinem geistigen Auge auf. Jung und schön. Und ein Biest. Sie hatte in einem alten Heuschober außerhalb vom Dorf, ein gutes Stück entfernt von den Stallungen eines Gestüts, eine Art Liebesnest gehabt, wo sie sich heimlich mit wohl so manchem Verehrer traf. Alles Dinge, die man sich nach ihrem Tod hinter vorgehaltener Hand im Dorf erzählt hatte.
     
    So munkelte man auch, dass sie eines Abends Peter Müller dorthin gelockt hatte. Jemand hatte ihn gesehen, wie er in höchstem Maße beglückt die Scheune verlassen und pfeifend nach Hause gegangen war. Das war nur wenige Tage vor Sarahs Tod gewesen.
    Lange schon hatte Peter die schöne Sarah aus der Ferne beobachtet, hatte dabei gehofft, dass das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, ein besonders süßes Lächeln war. Eines, das sie nur ihm schenkte. Wenn sie sich begegneten, winkte sie stets erfreut, und wenn sie ihn ansah, dann leuchteten ihre Augen. Und gestern Abend schließlich war es endlich soweit gewesen: Sarah hatte ihn gebeten, sie vom Pferdestall aus nach Hause zu bringen. Es war März, und es wurde bereits dämmerig. Und sie wollte querfeldein gehen, statt des Umwegs durch den Ort. Ihr Elternhaus lag im oberen Wohngebiet des Ortes.
    Nur zu gerne hatte Peter eingewilligt. Als sie schließlich an der Feldscheune vorbeikamen, war Sarah stehen geblieben und hatte Peter lange in die Augen gesehen. So lange, bis er vorsichtig nach ihrer Hand gegriffen hatte. Sanft hatte er sie ein Stückchen an sich herangezogen, immer noch auf der Hut, denn er wusste, wenn sie ihn jetzt abblitzen lassen würde – er wäre nicht der Erste -, dann waren seine Chancen ein für alle Mal vorbei. Schließlich hatte sie sich jedoch dicht an ihn geschmiegt, und er hatte ihren weichen Körper gespürt. Und auch,
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