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Der Nachtschwärmer

Der Nachtschwärmer

Titel: Der Nachtschwärmer
Autoren: Jason Dark
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brüllte all seine Not hinaus.
    Niemand hörte ihn. Das Rauschen der Wellen verschluckte alles. Er riss die Augen auf. Er sah das Wasser, er sah die Gischt, die sich für ihn in grinsende Totenschädel verwandelte, die am Tor der Hölle standen, um den Neuen zu empfangen.
    Dann prallte er auf!
    Er fiel auf die Felsen, und rutschte auch in das Wasser hinein, aber dessen Kälte merkte er nicht mehr, weil eine andere Kälte viel stärker war. Die Kälte des Todes...
    Wendy Baxter war im Auto zurückgeblieben. Sie konnte es nicht fassen, nicht glauben. Sie hatte vorgehabt, das Auto zu verlassen, aber dazu hatte sie sich nicht überwinden können. Es war einfach eine zu schreckliche Szene, die sie zu sehen bekam. Sie hatte zwar irgendwie an den Nachtschwärmer geglaubt, aber dass es ihn wirklich geben könnte, das hatte sie nicht hinnehmen können.
    Und sie wusste auch, dass sie zu schwach war, um gegen ihn anzukämpfen. Sie saß auf ihrem Platz und schaute durch die offene Tür nach draußen. Was da aus der Dunkelheit der Nacht auf ihren Freund zugeflogen war, das hatte sie nicht genau erkennen können. Es war ein Schatten gewesen, später ein lebendiges Wesen, aber kein Mensch und auch kein Vogel. Etwas, das man nicht fassen und auch nicht beschreiben konnte. Ein fliegendes Monster oder Ungeheuer. Aber es hatte Arme, auch Beine und sehr große Flügel. Sie sah einen hellen Flecken in der oberen Gesichtshälfte. Genau das musste das Gesicht sein oder die Fratze. Ja, es war eine verdammte Fratze, das traf schon eher zu.
    Sie zitterte am gesamten Leib. Es war mehr das innere Zittern, das Gefühl einer eisigen Angst, die zudem ihr Herz umschloss. Sie fühlte sich unter einem wahnsinnigen Druck stehend und zugleich eingesperrt in einen Käfig, den sie nicht verlassen konnte, auch wenn sie es wollte.
    Andere Gefühle zu beschreiben war ihr unmöglich. Es stand nur fest, dass sie hier das Grauen erlebte, und das in seiner schrecklichsten Form.
    Felix wehrte sich nicht. Er konnte es nicht. Er hing in den Krallen des Riesenvogels fest, der sich ein Opfer geholt hatte.
    Nein, kein Vogel.
    Falsch, das war der unheimliche Nachtschwärmer, der jetzt zusammen mit seiner Beute in die Höhe stieg.
    Wendy’s Augen weiteten sich. Sie hielt den Atem an. Sie wollte etwas unternehmen, aber der Selbsterhaltungstrieb hielt sie im Wagen zurück, denn sie wusste genau, dass auch sie verloren war, wenn sie den Schutz verließ und auf die Bestie zulief.
    Sie flog in die Höhe – und sie nahm Felix mit. Er hing als leblose Beute in ihren Krallen, als sich das Wesen in der Luft drehte und Kurs auf die Klippen nahm.
    Wendy ächzte. Sie weinte, sie jammerte. Sie streckte die Arme mit einer hilflosen Geste aus, als wollte sie ihren Freund noch im letzten Augenblick den Krallen entreißen.
    Hilflos musste sie mit ansehen, wie der Nachtschwärmer mit seiner Beute davonflog.
    Es war noch immer nicht zu fassen. Wendy schaute auf den leeren Fahrersitz. Sie schüttelte den Kopf und war jetzt froh, sich bewegen zu können. Um ihre Lippen zuckte es. Längst hatten die Tränen ihre nassen Spuren auf der Haut im Gesicht hinterlassen. Wendy war völlig durcheinander. 20 Jahre alt war sie geworden. Aber sie hatte noch niemals zuvor diesen grausamen Horror erlebt.
    Sie weinte und stolperte aus dem Wagen hinaus. Als ihre Füße festen Boden spürten, hatte sie trotzdem das Gefühl, von aus der Erde greifenden Schlammarmen in die Tiefe gezogen zu werden. Sie schaute nach vom und in den Himmel hinein, der als dunkles Etwas aus der Ewigkeit gekommen war und hoch über ihrem Kopf lag. Selbst das Funkeln der wenigen Sterne gab ihr keine Hoffnung mehr.
    Aber sie schaffte es, den Kopf zu drehen und in die Richtung zu schauen, in die der Nachtschwärmer mit ihrem Freund davongeflogen war. Sie blickte nach Westen, denn dort war das Land zu Ende. Vielleicht noch knapp hundert Meter bis zu den Klippen, die so gern als Ausflugsziel genutzt wurden.
    Und da sah sie ihn!
    Die fliegende Bestie war mit ihrer Beute über das Meer hinausgeflogen. Sie tanzte mit Felix Molina wie ein Schatten in der Luft, sie hatte den Körper sogar gedreht, denn jetzt baumelten die Arme und auch die Beine nach unten.
    Wie ein großes Insekt hing er in den mächtigen Krallen und schwebte über dem Wasser.
    Man hat die Toten in den Klippen gefunden!
    Immer wieder jagte ihr dieser Satz durch den Kopf. Und jetzt schwebte der Nachtschwärmer mit seiner Beute genau dorthin, wo er sie fallen lassen
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