Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition)
Autoren: Markus Tillmanns
Vom Netzwerk:
Ewigkeit aus Atemschöpfen.
    Dann sah sie voller Zweifel zum ihm auf. »Bist du tatsächlich der Sohn einer Dämonin?«
    »Kennen wir uns schon so gut, dass ich dir meine Mutter vorstellen muss?«
    Ein Krachen erschütterte die Kiste.
    Dadalore stützte sich auf und lugte über den Rand. »Das Wasser steht viel zu hoch. Und es steigt immer weiter«, schrie sie.
    Valenuru brüllte zurück: »Ich habe im Abfluss eine Truhe verkeilt.«
    Dadalores Worte gingen im Sturmgebraus unter, doch ihr fragender Ausdruck erreichte den Nachtelfen. »Andernfalls wärst du schon längst nach unten gezogen worden und hättest unserem steinernen Freund hier eine Darmspülung verpasst«, rief er.
    »Aber so werden wir ebenfalls sterben«, schrie Dadalore und deutete voraus. Das Wasser war inzwischen so hoch gestiegen, dass es sintflutartig zum Maul der Kreatur herausschoss. Und ihr Boot raste unaufhaltsam darauf zu. Dadalore und Valenuru sahen sich einen Lidschlag lang entsetzt an, dann sprangen sie gleichzeitig aus der Kiste. Die Wellen schlugen über Dadalore zusammen. Augenblicklich erfasste sie der Sog. Sie strampelte dagegen an, so stark sie konnte, doch es war hoffnungslos. Mit übermächtiger Kraft donnerte das Wasser auf den Abgrund zu. Da sah sie etwas Großes auf sich zurasen und krallte sich verzweifelt daran fest.
    Luft! Endlich wieder Luft.
    Dadalore umklammerte einen Zahn der Bestie. Zu beiden Seiten schoss das Wasser an ihr vorbei in die Tiefe. Valenuru klemmte einen Zahn weiter und warf ihr einen zerknirschten Blick zu.
    Unter ihr war der Tod.
    Sie hatte noch nie aus so gigantischer Höhe herabgesehen. Kamboburg lag unter ihr wie eine besonders lebensechte Stadtkarte. Der König-Jokabi-Platz war nicht mehr als ein Fleck im Wust der Häuser. Das Wasser klatschte den Leib des Kolosses hinunter.
    Schlagartig hörte der Regen auf.
    Der Wind rüttelte an ihr und ließ die völlig durchnässte Dadalore zittern. Ihre Glieder wurden steif vor Kälte. Hier würde sie sich nicht mehr lange halten können.
    Valenuru heftete sich mit den Beinen an den Zahn und streckte ihr die freie Rechte entgegen. »Nimm meine Hand! Du kannst weitaus mehr als nur dein Leben gewinnen.«
    Dadalore sah ihn an.
    Er vollführte eine Bewegung, als zöge er ihr etwas aus dem Ohr. Plötzlich lag eine große Tonkugel in seinen Fingern. Er drehte die Kugel so, dass sie die fünf abgebildeten Adler darauf sehen konnte. »Hier, für dich!«
    Dadalore starrte den Lakaien an. Sie hatte schon seit Stunden keinen mehr genommen.
    »Worauf wartest du?«
    Alles in ihr schrie danach, die Kugel zu zerschlagen. Das wunderbare Gefühl von Kraft und Mut, das sie dann hätte. Sie musste nur zugreifen. Musste nur ja sagen.
    Kein Ton kam über ihre Lippen.
    Da weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen: Drei Zähne entfernt hielt sich Osogo fest! Und er sah sie ebenfalls. Er lächelte überlegen. Er gebot über Mhabubkar, den mörderischen Geist. Und sie war nichts als ein frierendes, zitterndes Mädchen über dem Abgrund. Er machte eine Geste von einer Seite seiner Kehle zur anderen und grinste.
    So also sah der Tod aus. Dadalore war vor Angst wie gelähmt.
    Osogo brüllte: »Mhabubkar!«
    Reflexartig riss Dadalore einen Arm vor den Hals. Und schrie auf vor Schmerz, als eine unsichtbare Klinge ihr das Fleisch vom Handrücken schlitzte.
    Der Schmerz ließ den Zorn in ihr hochkochen. Sie entriss Valenuru den Lakaien, holte aus und warf so fest sie konnte.
    Die Kugel zerplatzte mitten auf der Stirn des Capitalmeisterobservators.
    Seine Augen flatterten.
    Blut lief herab. Seine Hände lösten sich von dem Riesenzahn. Er kippte erst langsam, endlich immer schneller nach hinten weg und sauste wie ein Stein hinab.
    »Guter Wurf«, sagte Valenuru anerkennend. »Und nun nimm meine Hand.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dadalore, ich bitte dich, sei vernünftig. Du möchtest leben, ich kann es deutlich spüren. Ich kann dir deinen Willen geben. Und ich kann weit mehr als das. Du möchtest reich sein? Ich kann dich reicher machen, als du es dir je erträumtest. Du möchtest Zaubermacht? Ich mache dich mächtiger als die mächtigsten Schamanen. Du möchtest so viele Lakaien zugleich nehmen, wie sie noch nie ein Mensch zuvor gespürt hat? Ich kann sie dir beschaffen!«
    Nimmermüde umklammerten seine Beine den Zahn. Seine flinken Hände aber jonglierten plötzlich mit vier Tonkugeln.
    Der Wasserspiegel im Inneren des Ruptukopfes sank stetig. Der Abfluss schien nicht völlig verstopft zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher