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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition)
Autoren: Markus Tillmanns
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seiner Smaragdaugen traf sie. »Er hat genau das, was er immer am meisten begehrte: Unendliche Freiheit und weit und breit niemand, der ihn aufhält.«
    »Begreift Ihr wenigstens jetzt, welchen Irrweg Ihr eingeschlagen habt?«, rief sie Osogo zu. Der Koloss echote es vielfach zurück.
    Der Capitalmeisterobservator strich sich über das Kinn. »Ich bewundere Euren Scharfsinn, wirklich. Eine höchst funktional arbeitende Teilvernunft. Leider fehlt es Euch wie den meisten Menschen an Größe. Mit Euren Möglichkeiten könntet Ihr hervorragende Ermittlungen leiten, viele Jahre lang. Und in der endlosen Kette Eurer erfolgreichen Nachforschungen würde nur eine einzige Frage stets offen bleiben: Wofür?«
    »Eure Antwort auf diese Frage kenne ich«, gab Dadalore zurück. »Sie ist es, was Euch verraten hat. Euer Haus machte mich misstrauisch. Ein Sklave, dem persönliche Besitztümer untersagt sind, gehört nicht in eine Villa. Aber Reichtum allein genügte Euch nicht. Nein, Ihr musstet auch noch Orgien abhalten in Eurem privaten, kleinen Exu-Kultraum.«
    Osogo schüttelte den Kopf, als spreche er zu einem unverständigen Kind. »Gerechtigkeit ist ein Schwert, das jeder zu anderen Zwecken führt. Der König war ebenfalls ein Sklave und er bewohnte den Alabasterpalast.«
    »Er war der König!«, protestierte die Beamtin.
    »Was heißt das schon? Ein bloßes Los hat ihn dort hin beordert, so wie Euch und mich in die Wache.«
    »Ein heiliges Los«, korrigierte Dadalore scharf.
    Osogo gab sich keine Mühe, seine Verachtung zu verbergen. »Das ist der entwürdigende Kniefall des Menschen vor dem Zufall.«
    »Das ist sein Vertrauen in die Entscheidung der Götter.«
    »Ich habe für dieses Reich mehr geleistet als jeder andere und habe im ganzen Leben keinen anderen Dank dafür erfahren als jenen, den ich mir selbst beschaffte. Die Götter scheren sich nicht um uns.«
    »Das gilt nicht für alle Jenseitigen«, warf Valenuru ein.
    Dadalore wechselte einen kurzen Blick mit ihm. »Die einzige Religion, die dem Capitalmeisterobservator noch verblieben ist, ist die Verehrung seiner selbst.«
    »Und Eure Verehrung gilt allein dem König. Wacht auf, junge Dadalore, der König ist bereits seit Monaten tot. Eure Treue gilt einem Trugbild.«
    »Ihr missversteht. Ich verehre, wofür der König steht. Und nun, da er tot ist, liegt es an mir allein, dafür zu streiten.«
    Der Capitalmeisterobservator lehnte sich an die Brüstung. Das Blut Ghalikans troff von den Edelsteinen auf seiner Rüstung. »Bedaure, aber Ihr habt den Test nicht bestanden.«
    »Ihr wäret der Letzte, von dem ich mich prüfen ließe.«
    »Es besteht ganz und gar kein Grund, unhöflich zu werden, Eure Capitalobservatorin. Ich habe dieses Gespräch mit Euch nur aus einem einzigen Grund geführt: Ich kann Menschen Eures Schlages in meinem Reich gut gebrauchen. Leider muss ich Euch mitteilen, dass Eure Befähigung durch Euren ideologischen Ballast mehr als aufgewogen wird. Ich habe keine Verwendung mehr für Euch. Valenuru, nehmt Ihren Säbel an Euch!«
    »Valenuru«, rief Dadalore, »wenn du mich liebst, halte ihn auf!«
    Der Angesprochene legte sich auf eine Metallkiste, winkelte ein Bein an und kratzte sich am Kopf. »Waren der Herr und die Dame vielleicht ein wenig unaufmerksam, als ich mich zum Thema widerstreitende Bedürfnisse äußerte?«
    Dadalore spürte, wie sich in ihrer Brust etwas zusammenkrampfte. Sie fischte Fangkufas vom Boden auf und sah Osogo an. »Machen wir es also unter uns aus.«
    »Das ist unklug«, kommentierte Valenuru.
    »Ihr solltet auf Euren spitzohrigen Berater hören«, tadelte Osogo. »Ihr wisst, dass ich von diesem Raum aus dem Geist Mhabubkars gebiete. Ihr wäret tot, wenn Ihr auch nur einen einzigen Schritt auf mich zu macht.«
    Dadalore spürte, wie ihr Hals ganz trocken wurde. Er hatte Recht. Sie hatte gesehen, wie beiläufig er Ghalikan getötet hatte.
    »Andererseits«, ergänzte der Capitalmeisterobservator süffisant, »seid Ihr auch tot, wenn Ihr es nicht tut. Ich hoffe, Ihr habt dafür Verständnis. Es ist nichts Persönliches. Eine reine Frage der Risikominimierung.«
    Dadalores Herz begann wie verrückt zu hämmern. Er wollte sie töten. Und nichts konnte ihn davon abhalten. Hilfesuchend sah sie Valenuru an.
    Er knabberte an einem Fingernagel. Als er ihren Blick bemerkte, nuschelte er: »Was den Tod angeht, kann ich nur einen Rat geben: Lass dir damit Zeit.«
    Osogo lachte. »Das ist wirklich ein feiner Geliebter, den Ihr da habt.
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