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Der Nacht ergeben

Der Nacht ergeben

Titel: Der Nacht ergeben
Autoren: Rachel Caine
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betäubt. Ich bin sechzehn , wollte sie sagen. Ich bin dafür noch nicht bereit.
    Aber irgendwie musste sie das jetzt sein.
    Amelies grimmiger, kalter Gesichtsausdruck schien weicher zu werden, nur einen Hauch. »Ich kann Myrnin sonst niemandem anvertrauen. Wenn wir ihn finden, wird es deine Aufgabe sein, ihn zu beaufsichtigen. Er könnte...« Amelie hielt inne, als würde sie nach dem richtigen Wort suchen. »Schwierig sein.« Das war wahrscheinlich nicht das richtige Wort. »Ich will nicht, dass du kämpfst, aber ich brauche dich bei uns.«
    Claire hielt den Pfahl und das Messer hoch. »Warum haben Sie mir das dann gegeben?«
    »Weil du dich oder ihn vielleicht verteidigen musst. Wenn es dazu kommt, dann möchte ich, dass du nicht zögerst, Kind. Verteidige dich und Myrnin um jeden Preis. Einige von denen, die uns entgegentreten werden, kennst du vielleicht. Lass dich davon nicht aufhalten. Es geht jetzt darum, dass wir überleben.«
    Claire nickte benommen. Sie hatte sich selbst vorgemacht, dies alles wäre eine Art Action-Abenteuer-Videogame, wie das, in dem man Zombies töten musste, das Shane so mochte, aber mit jedem ihrer Freunde, der wegging, hatte sie etwas von dieser Distanz verloren. Jetzt holte sie die Realität wieder ein. Menschen würden sterben.
    Und sie könnte einer von ihnen sein.
    »Ich werde dicht bei Ihnen bleiben«, sagte sie. Amelies kalte Finger berührten sie ganz leicht am Kinn.
    »Mach das.« Amelie wandte ihre Aufmerksamkeit den anderen zu, die um sie herumstanden. »Haltet Ausschau nach meinem Vater, aber lasst euch nicht dazu verleiten, gegen ihn anzutreten. Das ist nämlich genau das, was er möchte. Er wird ebenfalls Verstärkung haben und er wird noch mehr Leute sammeln. Bleibt zusammen und passt gegenseitig auf euch auf. Beschützt mich und beschützt das Kind.«
    »Ähm... könnten Sie vielleicht aufhören, mich so zu nennen?«, bat Claire. Amelies eisiger Blick fixierte sie in fast menschlicher Verwirrung. »Kind, meine ich. Ich bin kein Kind mehr.«
    Die Zeit schien ungefähr hundert Jahre stillzustehen, als Amelie sie anstarrte. Wahrscheinlich war es schon mindestens hundert Jahre her, seit zum letzten Mal jemand gewagt hatte, Amelie auf diese Weise in der Öffentlichkeit zu korrigieren.
    Amelie spitzte ein ganz klein wenig die Lippen. »Nein«, sagte sie zustimmend. »Du bist kein Kind mehr, jedenfalls war ich in deinem Alter schon eine Braut und regierte ein Königreich. Ich müsste es eigentlich besser wissen.«
    Claire fühlte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Na großartig, sie wurde rot, weil sie jetzt die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hatte. Amelies Lächeln wurde breiter.
    »Ich muss mich berichtigen«, sagte sie zu den Übrigen. »Beschützt diese junge Frau .«
    So fühlte sie sich eigentlich auch nicht, aber Claire wollte den Bogen nicht überspannen. Die anderen Vampire schienen über diese Unterscheidung überwiegend verärgert und die Menschen sahen nervös aus.
    »Kommt«, sagte Amelie und wandte sich der leeren Wand am anderen Ende des Wohnzimmers zu. Sie schimmerte wie eine Asphaltstraße im Sommer und Claire fühlte, wie sich die Verbindung öffnete.
    Amelie schritt durch die scheinbar bloße Wand. Nach ein oder zwei Sekunden der Überraschung begannen die Vampire, ihr zu folgen.
    »Oh Mann, ich kann einfach nicht glauben, dass wir das tun«, flüsterte hinter Claire einer der Polizisten dem anderen zu.
    »Ich schon«, flüsterte der andere zurück. »Meine Kinder sind da draußen. Was bleibt mir anderes übrig?«
    Claire umklammerte den Holzpfahl und folgte Amelie durch das Portal.
    ***
    Myrnins Labor war auch nicht chaotischer als sonst. Claire war überrascht; irgendwie war sie davon ausgegangen, dass Mr Bishop mit Fackeln und Knüppeln hier gewütet hätte, aber bisher hatte er wohl bessere Ziele gefunden.
    Oder vielleicht - nur vielleicht - hatte er es nicht geschafft, hier hereinzukommen. Noch nicht.
    Claire schaute sich unruhig im Raum um, der nur von ein paar flackernden Öllampen und elektrischen Lichtern erleuchtet wurde. Sie hatte ein paar Mal versucht, hier aufzuräumen, aber Myrnin hatte sie angefaucht, dass er alles gern so hätte, wie es war, deshalb hatte sie die schiefen Bücherstapel, die unzähligen Glasgefäße auf den Tischen und die Berge von unordentlich gestapelten, gewellten Papieren so gelassen. In der Ecke stand ein kaputter Eisenkäfig - er war deshalb kaputt, weil Myrnin einmal beschlossen hatte, daraus auszubrechen -
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