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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar
Autoren: Minette Walters
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knurrte belustigt. »Daran war nichts Mysteriöses. Milosz hat mir alles vermacht dafür, dass ich ihm das Leben gerettet hab. Ich hab's Schwarz auf Weiß.«
    »Sophie hat aber erzählt, er sei drei Tage ohne Bewusstsein gewesen.«
    Jimmy grinste wieder. »Ich hab ein paarmal bei ihm reingeschaut, während sie Mel operiert haben. Um zwei Uhr morgens ist er mal kurz zu sich gekommen und war total klar. Er hat sich aufgesetzt und den Vertrag unterschrieben. Nimm es, hat er gesagt. Meinen Segen hast du.«
    Eileen schnalzte mehrmals mit der Zunge. »Na, wenn das nicht ein beschissener Haufen Bockmist ist«, sagte sie vergnügt. »Sie haben die Sachen gestohlen, bevor jemand anders die Möglichkeit dazu hatte. Dolly Carthew hat gesagt, Sie hätten alles hintenraus geschmuggelt, während die Polizei vorn die Tür bewacht hat, und eine Woche lang in einem ihrer leeren Zimmer versteckt.«
    »Was ist das für eine Ausdrucksweise, Mrs H.!«
    »Sie haben einen schlechten Einfluss auf mich, Jimmy. Ich gebrauche Kraftausdrücke – ich decke Verbrechen –, und ich hab mich seit Jahren nicht mehr so nützlich gefühlt.«
    Sein ansteckendes Lachen stieg über ihrem Kopf in die Luft. »Ich glaub immer noch, es wär besser gewesen, ich hätte mich mit Mel und den Kindern hier schleunigst aus dem Staub gemacht. Wenn ich den Kids in London Drogen verkaufen würd, könnt ich verdammt noch mal nen Haufen mehr Kohle machen als im Jugendheim in der Acid Row.«
    »Das brächten Sie nie fertig«, versetzte sie unerschüttert. »Das ist doch nur eine andere Art des Kindesmissbrauchs. Sie haben ein zu weiches Herz, das ist Ihr Fehler. Wenn es nicht so wäre, hätten Sie Milosz nicht einfach verschwinden lassen.«
    »Woher wissen Sie, dass ich das getan hab?«
    »Sophie hat's mir erzählt.« Sie zwinkerte verschmitzt, obwohl er das nicht sehen konnte. »Es gab da mehrere Dinge, die ihm hätten klar machen können, dass es um die ‘Letzte Schlacht’, ging. Etwa in dem Sinn: Wenn das nächste Mal Gut und Böse vor deiner Tür miteinander kämpfen, dann nimm gefälligst deinen Mut zusammen und schlag dich auf die Seite der Engel, anstatt dich feige rauszuhalten...«
    »Ja, okay, ich hatte inzwischen Zeit gehabt, drüber nachzudenken, und ich hab's echt beschissen gefunden, dass der Kerl zuschaut, wie sein Vater eine Frau grün und blau prügelt, nur weil er vor ihm Angst hat. Gut, er hatte eine Scheißkindheit, aber den meisten von uns ist es nicht viel besser gegangen. Man muss sich im Leben entscheiden – und er hat sich immer dafür entschieden, vor seinem Vater zu kuschen. Er behauptete, es wäre anders gekommen, wenn er gewusst hätte, dass sein Vater seine Mutter umgebracht hat –«, er zuckte mit den Schultern, »aber wenn Sie mich fragen, lügt er sich da selbst was vor. Deshalb macht er immer die Schotten dich und redet nie von ihr. Er hat gewusst, dass sie tot ist, vielleicht hat er's sogar mitangesehen... aber hat er je irgendwie drauf reagiert?«
    Sophie hatte mehr oder weniger das Gleiche gesagt, aber es war interessant, dass weder sie noch Jimmy eine Spur von Mitleid empfanden. »Es muss doch für so einen kleinen Jungen ein grauenvolles Erlebnis gewesen sein«, bemerkte Eileen.
    »Klar«, sagte Jimmy, »aber er ist groß geworden, oder nicht? Es ist nie zu spät, etwas in seinem Leben anders zu machen. Er hätte seinen Vater, dieses Schwein, schon vor Jahren anzeigen sollen, anstatt wieder zu ihm ins Haus zu ziehen. Das macht ihn zu einem echten Arschloch. Er hätte nicht zulassen dürfen, was sein Vater mit Sophie gemacht hat... er hätte nicht zulassen dürfen, dass er die Huren prügelt. Es ist mir egal, wie viel Angst einer hat – eine Frau zu schlagen, das ist absolut das Letzte.«
    Er ist wahrhaftig ein sanfter Riese, dachte Eileen. Nach außen hart wie Granit, aber mit einem butterweichen Kern. »Sie und Sophie sind aus demselben Holz geschnitzt«, sagte sie barsch. »Ein großes Herz, aber null Toleranz für die Sünder.«
    »Das kommt ganz auf die Sünde an«, widersprach er. »Unser Col war ein Dieb, aber ich hab ihn geliebt. Und Sophie hat mehr Schneid, als ich je haben werde. Ich hätt das nie gebracht, mich vor den Altar zu stellen, wenn ich ausschau wie der Elefantenmensch. Da muss man schon echte Klasse haben. Sie weiß, wer sie ist, und was die Leute sagen, ist ihr piepegal... das ist ihre Art. Ich dagegen bin eitel. Wenn ich mal heirate, sollen alle Leute sagen: ‘Wau, das ist vielleicht ein toller
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