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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar
Autoren: Minette Walters
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ergreifen pflegt.«
    »Richtig, genau das tut sie. Ihre Mutter hat ihr gründlich beigebracht, was Männer mögen. Da fällt es manchmal schwer zu widerstehen. Sex interessiert sie. Sie ist neugierig. Wie die meisten Kinder.«
    Tyler schüttelte den Kopf und wandte sich von Townsend ab, um wieder zum Fenster hinauszuschauen. »Sie ist zehn Jahre alt, Mr Townsend. Natürlich ist sie neugierig. Aber das heißt doch nicht, dass sie weiß, was sie tut. Man kann nicht in etwas einwilligen, wovon man keine Ahnung hat, und ein Kind in Amys Alter ist nicht fähig zu verstehen, dass die Gefühle, die in einem Pädophilen wach werden, wenn er sie berührt, von ganz anderer Art sind als die anderer Männer.«
    »Mir ist klar –«
    Tyler ließ ihn nicht ausreden. »Ihre Mutter hat es gestern Abend beim Gespräch mit mir recht gut auf den Punkt gebracht. Kimberley Logan hatte ihr offenbar vorgeworfen, sie wolle Amys Leben bestimmen. Darauf entgegnete Laura, wie denn Amy Entscheidungen über ihre Zukunft treffen könne, wenn sie nicht einmal klar sagen könne, ob sie zum Abendessen lieber Fischstäbchen oder Würstchen haben will.«
    »Ich habe nie versucht, ihre Gefühle für mich auszunutzen.«
    »Nein, Sie haben sie nur entführt.«
    »Ich habe sie gerettet. Sie drohte mit Selbstmord, wenn sie weiter bei den Logans leben müsste.«
    Tyler beobachtete ein vorüberfahrendes Auto voller Kinder, die sich lachend auf dem Rücksitz rangelten. »Die Kollegen, die Amy fanden, sagten, sie sei zurechtgemacht gewesen wie eine Nutte, mit gebleichtem Haar und das Gesicht voller Schminke. Wer hatte denn den Einfall?«
    »Sie. Ich habe die Sachen nur besorgt. Sie wollte so gern älter aussehen.
Mein
Wunsch war es nicht. Ich sehe sie lieber so, wie sie ist.«
    »Die Kollegen sagten, die Maske sei wirklich gut gewesen, besonders das blonde Haar. Nach dem Fahndungsfoto hätten sie Amy niemals erkannt, wenn sie ihr auf der Straße begegnet wären.« Er schüttelte wieder den Kopf. »Was hatten Sie mit ihr vor? Wollten Sie sie den Rest ihres Lebens in Devon versteckt halten?«
    »So weit habe ich gar nicht voraus gedacht. Ich habe einfach gehandelt. Wahrscheinlich hoffte ich, wir könnten eine Weile verschwinden und dann irgendwo anders neu anfangen. Ich hatte von diesem Lehrer gelesen, der mit einer Schülerin nach Italien gegangen ist und dort ein Jahr lang mit ihr zusammengelebt hat, bevor sie gefunden wurden. Es schien mir einen Versuch wert.«
    »Sie müssen doch gewusst haben, dass man Sie erwischen würde.«
    »Wieso?« Er blickte an Butler vorbei zum Horizont weiter vorn. Ein träumerischer Ausdruck lag in seinen Augen. »Ich hielt es eher für wahrscheinlich, dass ihr langweilig werden würde und sie wieder nach Hause gehen wollte. Ich habe ihr gleich zu Anfang versprochen, dass ich sie sofort zu ihrer Mutter zurückbringen würde, wenn sie es sich anders überlegen sollte.«
    »Was war denn der Anfang, Mr Townsend? Wie sind Sie in diese Situation hineingeraten?«
    »Fragen Sie mich, wie es geschehen kann, dass ein erwachsener Mann sich in eine Zehnjährige verliebt?«
    »Nein«, gab Tyler mit feiner Erheiterung zurück. »Ich bin bereit, davon auszugehen, dass das geschehen kann. Verstehen werde ich es sicher nie. Ich mag Frauen. Wenn ich eine mit Grips, Humor und einer halbwegs guten Figur finden kann, die Spaß an ihrem Beruf und meinen Kochkünsten hat, bin ich im siebten Himmel. Ein spillerige kleine Zehnjährige, die nicht Muh und Mäh sagen kann, würde mich zu Tode langweilen – außer sie wäre meine Tochter. Dann fände ich ihre tollpatschigen Bemühungen, erwachsen zu werden, sicherlich faszinierend. Aber ich hätte bestimmt
nicht
das Verlangen, mit ihr zu schlafen.«
    Butler gewahrte einen Funken Belustigung in den blassen Augen. »Woher wollen Sie das wissen, wenn Sie nie eine Tochter hatten? Sie würden es vielleicht nicht in die Tat umsetzen, Inspector, aber Sie würden ganz sicher mindestens einmal in Ihrem Leben mit dem Gedanken spielen.«
    Tyler warf einen Blick auf seinen Sergeant, der die Augen fest auf die Straße gerichtet hielt. »Sie sagten, Amy hätte mit Selbstmord gedroht«, fuhr er fort. »Aber Sie haben sie trotzdem im Stich gelassen, um mit Franny nach Mallorca fliegen zu können. Wieso?«
    »Ich habe sie nicht im Stich gelassen. Ich habe ihr ein Handy gekauft und meine Nummer eingespeichert, so dass sie mich jederzeit anrufen konnte.«
    Das war nur eine halbe Antwort, aber Tyler ließ es vorläufig dabei
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