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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann
Autoren: Helmut Wolkenwand
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Pförtnerhütte brannte Licht. Ich klopfte an
die Scheibe, und der grauhaarige Mann schreckte aus seinem Nickerchen hoch. Vor
ihm stand eine Reihe Monitore, die das Gelände, hauptsächlich den
Eingangsbereich, zeigten und auch die Gleisanlage, nur dass man dort nicht viel
sehen konnte, weil der hintere Teil vom Hauptgebäude abgeschirmt war.
    »Ich bin
Heinrich Schmitt«, teilte ich dem Mann mit. Ich hielt eine Schreibunterlage
hoch. »Theo hat gesagt, ich kann auch nachts kommen, um die Container zu
überprüfen, bevor sie am Montag abgeholt werden.«
    »Geht in Ordnung«, sagte der ältere Herr und musterte erst mich und
dann unseren Firmenlaster. »Der Boss hat gesagt, dass Sie kommen würden. Ich
hatte Sie nur schon gestern erwartet.« Er schob mir ein Buch durch den Schlitz.
»Tragen Sie sich hier ein.« Ganz verkalkt war er aber nicht. »Was ist in dem Wagen?«
    »Zwei alte Schränke, die ich wegwerfen will«, sagte ich. »Theo hat
bestimmt nichts dagegen.«
    »Wenn Sie es sagen. Die Holzabfälle sind im vierten Hof auf der
linken Seite. Gute Nacht.«
    Es war mittlerweile deutlich nach Mitternacht, aber ich hatte auch
eine gute halbe Stunde warten müssen, bis die schwarze Limousine am
vereinbarten Treffpunkt erschienen war, um mir das dritte Paket zu bringen.
    Ich fuhr mit dem Lieferwagen bis hinten an das Ende der Gleise und
öffnete die Ladetüren. So hell, wie hier alles erleuchtet war, brauchte ich die
Lampe nicht einmal anzumachen, um die aufgerissenen Augen zu sehen, die mich
nun mit wachsender Panik anstarrten, während ich mich in einen etwas zu kleinen
Schutzanzug zwängte. Mit dem Zeug war wirklich nicht zu spaßen.
    Aber die anderen Augenpaare waren geschlossen.
    Dann kletterte ich auf den letzten Wagen und musterte den Verschluss
des Containers. Alles schön dicht festgeschraubt, aber dafür gab es
Akkuschrauber.
    Es ging überraschend schnell, dann hob ich den Deckel ab und trat
zurück, als der Dampf aufstieg. Ohne die Atemmaske hätte ich jetzt meine Freude
gehabt. Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe hinein, die Säure war trübe und
der Schein der Lampe reichte kaum in die Tiefe des Keramikbehälters. Fünftausend
Liter waren hier untergebracht. Und das Zeug war so ätzend, dass ein einziger
Atemzug schon der letzte gewesen wäre.
    Ich wuchtete das erste Paket nach oben, es war steif und unhandlich,
beinahe wäre es mir abgerutscht … wenn die Säure übergeschwappt wäre, hätte mir
der Anzug wohl auch nicht mehr geholfen. So aber verschwand es sanft in der
trüben Brühe, die sogleich anfing, heftig zu sprudeln. Hastig schloss ich den Deckel
und holte den Hundetreter. Der war etwas leichter zu handhaben. Als ich den
Deckel für ihn öffnete, stiegen nur noch vereinzelt Bläschen auf. Diesmal ging
es besser, der Hundetreter versank ohne ein Plätschern. Ich schloss den Deckel
erneut und ging zum Wagen zurück.
    Ich nahm die Maske ab und musterte das Frettchen. Dann riss ich ihm
das Klebeband vom Mund.
    »Noch irgendwelche berühmten letzten Worte?«
    »Was … was wollen Sie?«, fragte das Frettchen stotternd. Ich
verklebte ihm den Mund wieder.
    »Da hätte dir auch was Gescheiteres einfallen können«, teilte ich
ihm mit und legte ihm einen Kabelbinder um den Hals, um ihn dann fest
zuzuziehen.
    Dann sah ich zu, wie er blau anlief und zuckte.
    »Glaub mir, ich tu dir damit einen Gefallen.«
    Als er sich nicht mehr bewegte, packte ich ihn und trug ihn hoch.
Doch als ich ihn in die Säure abließ, zeigte sich, dass er doch noch nicht so
ganz tot war. Seine Augen sprangen auf und sein Mund öffnete sich zu einem
letzten Schrei, der ihm schon von den Knochen schmolz, bevor er mehr als
gurgeln konnte.
    »Sorry«, meinte ich entschuldigend zu ihm. »Ich hätte wohl länger
warten sollen.«
    Dann setzte ich den Deckel wieder auf und zog ihn fest. Ich
überprüfte alles dreimal, ganz speziell die Dichtung des Deckels, aber alles
war trocken und sauber. Es gab eine kleine Sichtluke an der Seite. Ich
leuchtete mit der Taschenlampe hinein, aber es war nichts zu erkennen.
Vielleicht war die Brühe trüber als vorher, aber selbst das hätte ich nicht
beschwören können.
    Okay. Das war das. Ich fuhr hinüber zur Holzsammelstelle und warf
zwei alte Schränke hinaus.
    »Alles erledigt?«, fragte der alte Mann, als ich mich in seinem Buch
wieder austrug.
    »Ja«, antwortete ich ihm. »Alles erledigt.«

    Als
ich nach Hause kam, brannte in der Küche Licht, und Mariettas alter Porsche
stand in der
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