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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
Autoren: Rick Yancey
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er mir, gibt es keinen Raumfür romantische Vorträge oder Grübeleien über die Natur des Bösen. Dass er selbst in jungen Jahren ein Dichter gewesen war, durchtränkte die Aufgabe mit Pathos und Ironie.
    Es hat mich oft vor ein Rätsel gestellt, welche Freude er daran fand, sich selbst genau die Dinge zu versagen, die ihm Freude bereiteten. Aber ich bin nicht der Erste, der darlegt, dass Liebe eine komplizierte Sache ist. Es ist wahr, dass der Monstrumologe seine Arbeit liebte – sie war, neben mir, alles, was er hatte –, aber seine Arbeit war nur eine Erweiterung seiner selbst, die erstgeborene Nachkommenschaft seines maßlosen Ehrgeizes. Seine Arbeit mag ihn auf diese seltsame und abscheuliche Insel geführt haben, aber sein Ehrgeiz war es, der ihn beinahe zugrunde gerichtet hätte.
    * * *
    Es begann an einem eisig kalten Februarabend des Jahres 1889 mit dem Eintreffen eines Pakets in dem Haus in der Harrington Lane. Die Lieferung war unerwartet, aber nicht ungewöhnlich. Nachdem ich fast drei Jahre lang Lehrling des Monstrumologen gewesen war, war ich an das mitternächtliche Klopfen an der Hintertür gewöhnt, an den verstohlenen Wechsel der Frachtgebühr und an den Doktor, der sich aufführte wie ein Kind an Weihnachten, wenn er mit vor Vorfreude fiebrig glühenden Wangen sein Geschenk ins Kellerlaboratorium trug, wo die Schachtel ausgepackt und ihr widerlicher Inhalt in all seiner makabren Pracht enthüllt wurde. Was an dieser speziellen Zustellung ungewöhnlich war, war der Mann, der sie brachte. Im Laufe meines Dienstes am Monstrumologen hatte ich genug unappetitliche Charaktere gesehen, Männer, die für einen Dollar und ein Schlückchen Whiskey die eigene Mutter verkauft hätten – willige Söldner im Dienste der Naturwissenschaft der anomalen Biologie.
    Aber von diesem Schlag war der Mann nicht, der zitternd in der Gasse stand. Obschon verdreckt von einer viele Meilenlangen Reise, trug er einen teuren, pelzbesetzten Mantel, der offen stand und einen maßgeschneiderten Anzug enthüllte. Am kleinen Finger seiner linken Hand glitzerte ein Diamantring. Auffälliger als seine Aufmachung war sein Auftreten: Der arme Kerl schien fast verrückt vor Panik. Er ließ seine Fracht auf der hinteren Veranda liegen, drängte sich ins Zimmer, packte den Doktor am Revers und fragte gebieterisch, ob dies Harrington Lane 425 sei und er – der Doktor – Pellinore Warthrop.
    »Ich bin Dr. Warthrop«, sagte mein Herr.
    »Oh, Gott sei Dank! Gott sei Dank!«, rief der gequälte Mann mit heiserer Stimme. »Jetzt habe ich es geschafft! Es ist direkt da draußen. Nehmen Sie es, nehmen Sie es! Ich habe Ihnen das verdammte Ding gebracht! Jetzt geben Sie es mir! Er hat gesagt, Sie hätten es. Schnell, bevor es zu spät ist!«
    »Mein guter Mann«, entgegnete der Doktor gelassen. »Ich will die Fracht gerne bezahlen, wenn der Preis akzeptabel ist.« Obwohl er über beträchtliche Mittel verfügte, war der Monstrumologe unglaublich knausrig.
    »Der Preis? Der Preis!« Der Mann lachte hysterisch. »Sie sind es nicht, der bezahlen wird, Warthrop! Er hat gesagt, Sie hätten es. Er hat versprochen, Sie würden es mir geben, wenn ich es Ihnen brächte. Nun halten Sie sein Versprechen!«
    »Wessen Versprechen?«
    Unser ungeladener Gast schrie wie am Spieß, krümmte sich und fasste sich an die Brust. Der Doktor fing ihn auf, bevor er auf dem Boden auftraf, und manövrierte ihn vorsichtig in einen Sessel.
    »Der Teufel soll ihn holen – zu spät!«, wimmerte der Mann. »Ich komme zu spät!« Er rang flehentlich die Hände. »Komme ich zu spät, Dr. Warthrop?«
    »Diese Frage kann ich nicht beantworten«, erwiderte der Doktor, »denn ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
    »Er hat mir gesagt, Sie würden mir das Gegenmittel geben, wenn ich es brächte, aber ich wurde in New York aufgehalten. Ich habe den Zug verpasst und musste auf den nächsten warten –mehr als zwei Stunden musste ich warten. O Gott! Den ganzen Weg hierherzukommen, nur um am Ende zu sterben!«
    »Das Gegenmittel? Das Gegenmittel wofür?«
    »Für das Gift! ›Bringen Sie mein kleines Geschenk zu Warthrop in Amerika, wenn Sie leben wollen‹, hat er mir gesagt, der Unhold, der Teufel! Das habe ich, und deshalb müssen Sie! Ach, aber es ist hoffnungslos! Ich fühle es jetzt – mein Herz – mein Herz …«
    Der Doktor schüttelte jäh den Kopf und wies mich mit einem Fingerschnippen an, ihm den Instrumentenkoffer zu bringen.
    »Ich werde alles in
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