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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
Autoren: Rick Yancey
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jemand genau, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente.«
    »Ich nehme an, Sie wissen, was ich als Nächstes fragen werde.«
    Sie lachte hell. Vor diesem Hintergrund klang es seltsam blechern.
    »Hat er je darüber gesprochen, für einen Monsterjäger zu arbeiten, als er jünger war? Hat er nicht – wenigstens in keiner der Geschichten, die ich gehört habe. Das Problem ist, jeder, der eine solche Geschichte vielleicht gehört hat, ist inzwischen tot.«
    Wir schwiegen einen Moment lang. Ich hatte tausend Fragen und konnte keine einzige davon genau auf den Punkt bringen.
    »Also brennt ihr Haus nieder und Will verschwindet, und niemand hat je wieder von ihm gehört«, sagte ich schließlich. »Das war dann – wann? Zwei Jahre nach ihrem Tod, also 1952?«
    Sie nickte. »Ungefähr um diese Zeit, ja.«
    »Und fünfundfünfzig Jahre später taucht er in einem Entwässerungsgraben tausend Meilen weiter weg wieder auf.«
    »Tja«, sagte sie mit einem Lächeln. »Ich habe nie behauptet, alle Antworten zu haben.«
    Ich betrachtete den Grabstein. »Sie war alles, was er hatte«, sagte ich. »Und vielleicht ist er, als sie starb, ein bisschenwahnsinnig geworden und hat das Haus niedergebrannt und die nächsten fünf Jahrzehnte auf der Straße gelebt?«
    Ich lachte trübselig und schüttelte den Kopf. »Es ist verrückt. Jetzt bin ich der Wahrheit näher denn je, und es kommt mir so vor, als wäre ich ihr nie ferner gewesen.«
    »Wenigstens wissen Sie jetzt, dass er die Wahrheit über sie gesagt hat«, versuchte sie mich zu trösten. »Es gab wirklich eine Lilly Bates, die 1888 etwa dreizehn Jahre alt gewesen ist. Und es gab wirklich einen Mann namens William James Henry.«
    »Richtig. Und alles andere, worüber er schreibt, könnte immer noch ein Produkt seiner Vorstellungskraft sein.«
    »Sie klingen enttäuscht. Wollen Sie denn, dass Monster real sind?«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich will«, gestand ich. »Was können Sie mir sonst noch über Lilly erzählen? Außer Reggie, gab es da noch andere Brüder oder Schwestern?«
    »Nicht dass ich wüsste. Ich weiß, dass sie in New York aufgewachsen ist. Die Familie war ziemlich begütert. Ihr Vater – mein Ururgroßvater – war ein ganz großer Finanzmann, in einer Liga mit den Vanderbilts.«
    »Sagen Sie’s nicht: Nachdem sie gestorben und das Haus abgebrannt war, stellte man fest, dass ihre Bankkonten leergeräumt waren.«
    »Nein. Sie waren nicht angerührt worden.«
    »Also war Will wohl doch nicht nur aufs Geld aus. Man sollte denken, die Familie hätte ihre Meinung über ihn vielleicht geändert.«
    »Es war zu spät«, erwiderte sie. »Tante Lilly war tot, und Will Henry war fort.«
    * * *
    Das war es , dachte ich auf dem Rückflug nach Florida. Das war es, was ich wollte. Ich wusste, dass Monster nicht real waren, und war ziemlich sicher, dass es keine ernsthaften Wissenschaftler gegeben hatte, die sich Monstrumologen genannt und Jagd auf sie gemacht hatten. Es ging nicht um die Tagebücher, wenngleich ich zugeben musste, dass sie mich faszinierten; es war das Warum hinter dem Was . Es war Will Henry selbst.
    Ich begab mich wieder an die Tagebücher. Monster mochten nicht real sein, aber Lilly Bates war es gewesen. In den Folianten steckten Hinweise, die mich vielleicht zu Will Henry führten, zu dem Warum , das ich so unbedingt verstehen wollte. In diesen Seiten waren nachprüfbare Fakten verstreut, ein Puzzle des Realen, vermischt mit dem Bizarren. Sein Leben – und diese sonderbare Aufzeichnung davon – verlangte eine Erklärung, und ich war entschlossener denn je, herauszufinden, welche es war.
    * * *
    Wir alle sind Jäger. Wir sind, wir alle, Monstrumologen , schreibt Will Henry in der Abschrift, die folgt. Ich kann sagen, dass er völlig recht hat, zumindest in meinem Fall. Und das Monster, das ich jage, ist der Kreatur nicht unähnlich, die ihn und seinen Meister fast getötet hätte. Pellinore Warthrop hatte seinen Gral – und ich habe meinen.
    R.Y.
    Gainesville, FL
    April 2011
    1 Auf ihren eigenen Wunsch hin wurde der Name geändert, um ihre Identität zu schützen.

»Es ist nicht länger möglich, den Menschen zu entrinnen.
    Es ist aus mit den Ungeheuern und den Heiligen.
    Aus mit dem Stolz.
    Nur die Menschen sind da.«
    – Jean-Paul Sartre



EINS
    »Ein äußerst gefährliches Gift«

    Nach mehreren Jahren des Dienstes für den Monstrumologen trat ich an ihn heran mit dem Gedanken, im Interesse der Nachwelt eine oder zwei seiner
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