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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
Autoren: Rick Yancey
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fort.«
    Unser gepeinigter Gast nickte. »Und an seiner statt das Paket.«
    »Und Sie machten sich geradewegs auf, die Überfahrt nach Amerika zu buchen.«
    »Ich dachte natürlich darüber nach, zur Polizei zu gehen …«
    »Aber Sie bezweifelten, dass man solch einer extravaganten Geschichte Glauben schenken würde.«
    »Oder in einem Krankenhaus Hilfe zu suchen …«
    »Und zu riskieren, dass man dort das Gegenmittel für ein so seltenes Toxin nicht kennen würde.«
    »Mir blieb keine Wahl, als zu tun, was er von mir verlangte, und zu hoffen, dass er die Wahrheit gesagt hatte, was anscheinend der Fall war, denn ich fühle mich wieder ganz wie der Alte. Oh, ich kann Ihnen nicht sagen, welche Qualen die letzten acht Tage waren, Dr. Warthrop! Was, wenn Sie nicht da gewesen wären? Was, wenn diese zwei Stunden Verzögerung in New York zwei Stunden zu viel gewesen wären? Was, wenn er sich geirrt und Sie das Gegengift nicht gekannt hätten?«
    »Nun, ich war; sie waren nicht; und ich habe. Und da sind Sie, gesund und munter und nur ein bisschen mitgenommen!« Rasch wandte sich der Doktor an mich und sagte: »Will Henry, bleibe bei unserem Gast, während ich einen Blick auf diese ›Kleinigkeit‹ von Dr. Kearns werfe. Vielleicht ist Mr Kendall nachden erlittenen Strapazen hungrig; kümmere dich darum, Will. Wenn Sie mich entschuldigen, Mr Kendall – John hat erwähnt, dass eine Verzögerung mich das ganze Spiel kosten könnte.«
    Mit diesen Worten floh der Monstrumologe aus dem Zimmer. Ich hörte, wie er schnellen Schrittes durch die Diele eilte, das Knarren der Tür zum Kellergeschoss und dann den Donner seines Abstiegs ins Laboratorium. Ein betretenes Schweigen senkte sich über den Raum. Ich fühlte mich etwas verlegen wegen des Doktors jähen und unhöflichen Weggangs. Warthrop war nie jemand gewesen, der die strenge Etikette feiner viktorianischer Gesellschaft beachtete.
    »Möchten Sie gern etwas essen, Mr Kendall?«, fragte ich.
    Mit geröteten Wangen holte Kendall tief Luft und sagte: »Ich habe mich gerade quer über den ganzen Atlantischen Ozean gekotzt und geschissen. Nein, ich möchte nicht gern etwas essen.«
    »Noch eine Tasse Tee?«
    »Tee! Ach du lieber Gott!«
    So saßen wir ein paar Momente nur mit dem Ticken der Kaminuhr als Gesellschaft, bis er schließlich einnickte, denn wer wusste schon, wie lange es her war, seit er zum letzten Mal geschlafen hatte? Ich versuchte – und schaffte es nicht –, mir das unvorstellbare Entsetzen vorzustellen, das er empfunden haben musste, während er wusste, dass er sich mit jedem Ticken der Uhr der letzten Tür näherte, jener Eingangstür in die Vergessenheit, die sich nur in eine Richtung öffnet, dass jede Verzögerung riskant, jeder verlorene Moment gefährlich war. Schätzte er sich glücklich – oder hielt er es für mehr als Glück?
    Und dann kam mir der Gedanke, dass er Kearns die Antwort auf dessen Frage schuldig geblieben war: Zu wem sollten wir beten? Schaudernd fragte ich mich, zu wem er wohl gebetet hatte – und wer genau ihn erhört hatte.

ZWEI
    »Ich habe alles, was ich brauche«

    Ich schlich mich vom Empfangszimmer zur Tür zum Kellergeschoss, denn ich sagte mir, dass ich an der Seite des Doktors etwas weniger unnütz wäre. Das Laboratorium unten erstrahlte im Lichterglanz, und ich konnte die leisen, unverständlichen Ausrufe des Monstrumologen vernehmen. Ich will zugeben, dass selbst ich, der täglich daran dachte, aus dem Haus in der Harrington Lane wegzulaufen, so schnell ihn seine dreizehnjährigen Beine trugen, der sich mehr als einmal gewünscht hatte, er könnte irgendwo anders auf der Welt als an der Seite eines Monstrumologen vor dem Nekropsietisch sein, der fast jede Nacht zu demselben heiligen Wesen betete – über dessen Potenz und Existenz der gottlose Kearns gespottet hatte –, er möge, irgendwie, auf irgendeine Weise, in ein Leben befördert werden, das mehr wie dasjenige war, aus dem er vor fast drei Jahren von diesem Wesen gerissen worden war, dass selbst ich die Anziehungskraft des Kastens verspürte, die inzwischen vertraute morbide Achtung für alle abscheulichen Geschöpfe … die Bewohner unserer Albträume … die Bürger unserer dunkelsten Träume. Was ist in diesem Kasten? Was ist heute Nacht geliefert worden?
    Ich will nicht behaupten, dass mein Abstieg eifrig war, aber er war schnell und nicht gänzlich meinem Pflichtgefühl geschuldet. Ich wollte sehen, was in diesem Kasten war. Fürchtete mich
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